Muscheldünen


So könnte die Landschaft um Nexing vor 12 Millionen Jahren ausgesehen haben. Geologen fanden Knochen von Delfinen, Robben, urtümlichen Elefanten und Nashörnern.

Nexing im Weinviertel ist ein eher beschaulicher Ort.
Passionierte Petrijünger kennen ihn wegen der mit 24 Hektar Wasserfläche größten zusammenhängenden Teichanlage, wo es sich gut fischen lässt.
Züchtern von Hühnern und Tauben ist er ein Begriff, weil dort kalkhaltiger Muschelgrit abgebaut wird, um als Kalziumquelle dem Vogelfutter beigemischt zu werden.

Geologen kennen Nexing auch, denn diese Muscheln sind vor sehr langer Zeit dort abgelagert worden, als Nexing nicht nur Teiche hatte, sondern gänzlich im Wasser lag. Dies war vor zwölf Millionen Jahren und man muss sich die Gegend damals grundlegend anders vorstellen:

Ein Teil des Paratethys genannten urzeitlichen Meers, das sich vom Rhone-Gebiet bis zur Region des heutigen Aralsees erstreckte, bedeckte die Region.
"Man hätte von Wien bis nach Kasachstan mit dem Schiff fahren können", sagt Mathias Harzhauser.

Er ist Direktor der paläontologischen Abteilung am Naturhistorischen Museum und zusammen mit anderen Geologen hat er nun Grund zur Freude, denn die "Muschelgrube von Nexing" im Bezirk Mistelbach gilt als eines der bedeutendsten Geotope Österreichs. Teile davon wurden nun unter Schutz gestellt. In einem vom Land Niederösterreich geförderten Projekt unter der Leitung der Paläontologin Doris Nagel von der Universität Wien und Mathias Harzhauser wurde die geologisch so interessante Stelle wissenschaftlich bearbeitet.

Der Besitzer der Muschelgrube, Alexander Mück, erklärte sich bereit, einen Teil des Areals dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Wie die Muscheln nach Nexing kamen, kann Mathias Harzhauser erklären: "Das Gelände mit einer dem Meeresufer vorgelagerten Insellandschaft und einer flachen Lagune führte dazu, dass die Flut mit großer Wucht Muscheln und Schnecken in der Uferzone des heutigen Nexing meterhoch ablagerte. Bei Nexing gab es in Richtung Mistelbach einen Strömungskanal. Diese Strömung nahm die Muscheln vom Strand mit und schob sie zu bis zu 13 Meter hohen Dünen auf. Das gibt es weltweit nur noch in Australien, in der Meeresstraße zwischen Australien und Papua-Neuguinea."

Nicht nur die Landschaft sah damals anders aus, auch das Klima unterschied sich vom heutigen. Nexing lag in einer subtropischen Zone. Das Wasser des Meeres ist vergleichbar mit jenem des Persischen Golfs: Es war warm, sehr salzig und sehr kalkreich. Schwimmen hätte man auch können: "Es war ein sehr sicheres Meer. Denn die Paratethys war zu dieser Zeit durch Gebirgsbildung ein von anderen Urmeeresgebieten abgeschnittenes Binnenmeer. Dort änderte sich das Ökosystem. Haie starben aus, es gab keine Seeigel. Delfine und Robben übernahmen die Rolle der Fischjäger. Von diesen Tieren haben wir Knochen gefunden", sagt Harzhauser.

In der Grube in Nexing gibt es nun einen Bereich, wo der Hügel angegraben wurde und die einzelnen Schichten aus Milliarden Muscheln und Schneckenschalen die Geschichte dieses einzigartigen Geotops erzählen. Für eine Besichtigung der Muschelgrube müssen sich Besucher mit dem Grundstückseigentümer in Verbindung setzen.

Nexing ist nicht nur wegen des Geotops einen Ausflug wert: Schloss Nexing ist ein im Jahre 1259 erstmals erwähntes ehemaliges Wirtschaftsgut des Stifts Heiligenkreuz mit den erwähnten weitläufigen Karpfenteichen. Ab 1802 war es im Besitz von Franz Ritter von Heintel, der es zu einem kleinen Landschloss umbauen ließ. Ritter von Heintel war Landwirtschaftsfachmann, der – seiner Zeit voraus – mit neuen wissenschaftlichen Methoden arbeitete. Sein Landschaftsgarten ist heute noch zu besichtigen.

Quelle:
Salzburger Nachrichten, Als Nexing im Meer lag
(Ausgabe vom 23.03.2018)