Lawinengefahr


In Österreich sterben jährlich rund 30 Menschen in Lawinen.
Wer sich abseits gesicherter Pisten bewegt, trägt hohe Eigenverantwortung.
Hier finden Sie die wichtigsten Tipps für sichere Skitouren.

Wie sammelt man wichtige Informationen vor der Tour ?

Beim Frühstück geht es darum, sich umfassend zu informieren.
Für Bernd Niedermoser, Leiter der Salzburger Lawinenwarnzentrale und selbst begeisterter Tourengeher, gehört der Blick in den aktuellen Wetterbericht, in den Lawinenlagebericht und in Webcams dazu.
Auf folgende Fragen gilt es Antworten zu finden:

Wo gibt es sichere Bedingungen ?
Welche Ziele sind möglich ?
Sind schwierigere Bedingungen
auch für alle Tourenteilnehmer zu bewältigen ?


Niederschlagsmenge und Windrichtung sagen mir, in welchen Hängen sich wie viel gefährlicher Triebschnee ansammelt.
Im Lagebericht wird von den Lawinenexperten detailliert ausgeführt, ab welcher Höhe es besonders gefährlich wird und wo die Schwachschichten in der Schneedecke lauern.

Wer es noch genauer wissen will, findet auf www.lawinen.at.at oder unter www.lawine.salzburg.at unter "Daten" aktuelle Schneeprofile und lokale Wetterinformationen mit genauen Beschreibungen der Gefahren in einem örtlich begrenzten Gebiet.
Letztlich lassen sich aus dem dichten Netz der Webcams zusätzliche Informationen über Wetter, Sicht und Schneelage gewinnen.

Welche Ausrüstung ist Pflicht fürs Skifahren im Gelände ?

Ein Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), eine Sonde, einen Biwak−Rucksack, ein Notfallset und eine stabile Schaufel sollte jeder im Rucksack haben, wenn man sich fernab von Pisten im freien Gelände bewegt. Auch unter den Lawinenexperten ist man sich heute einig, daß ein Lawinenairbag Leben retten kann.
Der Nachteil liegt darin, daß er möglicherweise die Risikobereitschaft erhöht. Dazu sollte man aber wissen, daß der Airbag weit davon entfernt ist, eine Vollkaskoversicherung zu sein. Zudem zeigt die Praxis, daß es im Notfall gar nicht so leicht ist, ihn auszulösen. Das sollte deshalb bewusst geübt werden.

Bringt es etwas, selbst ein Schneeprofil zu machen ?

Wer Gefahren im Gelände möglichst verlässlich beurteilen will, muß sich ständig damit befassen, warum was wo passiert.
Das Wissen darüber, was diesen Winter in der Schneedecke passiert, wo sich gefährliche Schichten gebildet haben oder noch bilden können, ist dabei eine wichtige Grundlage, auf der letztlich Entscheidungen aufbauen, ob man einen Hang sicher befahren kann oder nicht.
Daher hat es nicht nur für die Lawinenkommissionen Sinn,
Schneeprofile zu erstellen.
Auch der einzelne Freerider oder Tourengeher bekommt ein besseres Gefühl dafür, wo Gefahren in einer Schneedecke lauern.
Kein Schichtprofil ohne Stabilitätstests lautet dazu die Devise.
Standard bei den Lawinenkommissionen ist der sogenannte ECT−Test.
Dazu wird auf mindestens zwei Seiten ein Schneeblock in der Fläche von 90 (drei Schneeschaufeln breit) mal 30 Zentimetern (eine Schneeschaufel tief) freigelegt, an der Hinterseite schneidet man ihn mit einer Rebschnur bis zum Boden ab.
Dann legt man die Schaufel auf den linken oder rechten Rand des Schneeblocks und klopft zuerst leicht und dann immer stärker mit einer Hand auf die Schaufel. Je früher der ganze Block an einer Schwachschicht im Schnee wegrutscht und je glatter der Bruch ist, umso gefährlicher ist der Hang.

Was sagt einem die Lawinenwarnstufe ?

Stufe 1 (geringe Gefahr):
Nur ganz wenige Gefahrenstellen.
Absturzrisiko größer als Verschüttungsrisiko.

Stufe 2 (mäßige Gefahr):
Gefahrenstellen brauchen meist schon eine größere Belastung,
um ein Schneebrett auszulösen.
Setzungsgeräusche ("wumm"), Risse,
Fern− oder Spontanauslösungen selten.
Viele Touren sind mit sorgfältiger Planung gut möglich,
aber die kritischen Zonen sollte man meiden.

Stufe 3 (erhebliche Gefahr):
Bei dieser Gefahrenstufe gibt es die meisten Lawinentoten,
sehr große Vorsicht bei der Tourenplanung ist geboten.
Viel Neuschnee oder viele Stellen im Gelände mit labilem Triebschnee.
Skispur im Tiefschnee ist kantig, Setzungsgeräusche, vereinzelt spontane Abgänge und Fernauslösungen.
Keine Hänge mit 35 Grad und steiler befahren.

Stufe 4 (große Gefahr):
Labile Hänge in alle Richtungen, extrem viel Neuschnee,
oft mit Wind und Temperaturanstieg.
Starke Windverfrachtung, vermehrt Setzungsgeräusche und Spontanabgänge mittlerer und größerer Lawinen.
Skitouren kaum noch möglich.

Stufe 5 (sehr große Gefahr):
Katastrophensituationen.
Entwickelt sich meist über Wochen hinweg.

Ist man im Wald vor Lawinen sicher ?

Der gewaltige Lawinenabgang auf dem Hohen Zinken in der Osterhorngruppe 2009, den hier Michael Butschek von der Salzburger Lawinenwarnzentrale fotografierte, ist eine wichtige Warnung:
Selbst auf extrem viel begangenen Hängen wie beim Hohen Zinken, wo viele meinen, sie seien total sicher, weil der Hang auch mit Bäumen durchsetzt ist, können Lawinen abgehen, wenn sehr viel Neuschnee fällt und eine gefährliche Schwachschicht in der Schneedecke lauert.
Im dichten Wald ist es zwar grundsätzlich sicherer, weil die Schneedecke weniger mächtig wird und auch die Schneedecke strukturierter ist, da Schnee von den Baumkronen fällt.
Auch sind die Temperaturgegensätze zwischen Tag und Nacht und Schneeverfrachtungen nicht so groß wie im freien Gelände (Vorsicht vor Triebschnee auf Lichtungen).
Relativ sicher ist ein Wald, wenn er so dicht ist, daß man vom Boden aus den Himmel nicht sehen kann.
Doch schütterer Lärchenwald ist kein wirklicher Lawinenschutz.
Außerdem kann es im Wald durch starken Regen und große Erwärmung zu Lawinenabgängen kommen, wenn sich das Wasser auf einer undurchlässigen Schicht sammelt und wie ein Gleitfilm wirkt.

Wie verhält man sich in einer Gruppe ?

In der Gruppe besteht die Gefahr, daß man die Verantwortung an andere abgibt, die es vermeintlich besser wissen, und man sich zu Risiken verleiten läßt, die man allein nie eingehen würde.
Bergführer Gerald Valentin betont eine wichtige Verhaltensregel in Gruppen:
"Ich sage, was ich denke, und nehme andere Argumente ernst."

Beim Start der Tour ist es erste Pflicht zu schauen, ob alle Lawinenverschüttetensuchgeräte funktionieren.
Unabhängig von der Lawinengefahr sollte man ab 30 Grad Hangneigung einen Abstand von zehn Metern einhalten.
30 Grad sind erreicht, wenn man beim Aufstieg Spitzkehren machen muß.

Bei der Abfahrt sollte man grundsätzlich einen Abstand von 30 Metern einhalten.
Und: Immer raus aus den Schlaufen.
Im Notfall können sie wie Anker wirken, die beim Ausgraben zu entscheidendem Zeitverlust führen können.

Ab einer Steilheit von 35 Grad sollten Hänge nur noch einzeln befahren werden.

Heute gibt es für alle Smartphones Apps mit Neigungs− sowie Höhenmessern und Kompaß.
Es ist damit sehr einfach geworden, nicht nur Hangneigung, sondern auch Ausrichtung und Höhe zu bestimmen.
Wichtige Regel beim Zusammenwarten:
Immer einen sicheren Standort suchen.

Bin ich für den Notfall wirklich vorbereitet ?

Kann ich mit dem Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) umgehen ?
Beherrsche ich die Suche nach mehreren Verschütteten ?
Weiß ich, wie ich einen Verschütteten ausgraben muss ?

Wer diese Fragen nicht überzeugend beantworten kann, sollte auf jeden Fall einen entsprechenden Kurs machen oder das mit erfahrenen Tourengehern üben.

Einer der häufigsten Fehler in der Panik:
Mit dem LVS wird wild herumgefuchtelt, es liefert dann kein Signal.

Wichtig beim Graben:
Nicht nur von oben, sondern auch im rechten Winkel zum Hang schaufeln, weil ansonsten Trichter entstehen.

Der erfahrene Bergretter Klaus Wagenbichler betont:
"Wer sich beim Schaufeln nicht übergibt, der schaufelt zu langsam."

Quelle:
Salzburger Nachrichten, Lawinengefahr ist Lebensgefahr
(Ausgabe vom 26.01.2017)