Bananenreifung


Grasgrün sind die Bananen, wenn sie nach drei Wochen Reise in Hartl bei Kaindorf in der Oststeiermark ankommen. Mit einem fruchtigen Knacken bricht Reifemeister Gunar Nakladal einen Finger – so der Fachbegriff für die Einzelfrucht – in zwei Teile. "Nur wenn sie beim Auseinanderziehen Fäden bilden, sind sie frisch", erklärt er den Frischetest.

Das ist der Startschuss für den Reifeprozess. Geerntet werden alle Bananen grün, aber in diesem Zustand sind sie wegen ihres hohen Stärkegehalts ungenießbar. Die kontrollierte Reifung sorgt dafür, dass ganze Containerladungen gleichzeitig reifen können.

Für Bananenliebhaber muss es das Schlaraffenland sein. Hier in Hartl bei Kaindorf, gut 50 Kilometer nordöstlich von Graz, betreibt die Frutura-Unternehmensgruppe eine der modernsten Reifeanlagen Europas. Auf rund 5000 Quadratmetern werden Früchte wie Mangos und Avocados gereift. Die mit Abstand größte Rolle spielt aber die Banane.

Täglich werden hier 5000 Kolli Bananen verarbeitet und zur Reife gebracht, das entspricht 90,5 Tonnen (ein Kolli sind 18,1 Kilo). Im Jahr bringt man es auf 1,7 Millionen Kolli, 30.800 Tonnen. Frutura arbeitet eng mit der Spar-Gruppe zusammen, fast jede bei Spar verkaufte Banane ist in Kaindorf gereift.

Rund 12.000 Tonnen dieser Bananen – 40 Prozent – sind fairtradezertifiziert, das heißt, in der Produktion sind faire Löhne und Lebensbedingungen für die Kleinbauern und ihre Familien sichergestellt. Österreichweit liegt der FairtradeAnteil zwischen 25 und 30 Prozent. "Damit zählt Österreich zu den Ländern mit dem höchsten FairtradeAnteil weltweit", sagt Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich. Nur in der Schweiz und im Vereinigten Königreich ist der Anteil noch höher. 94 Prozent der fair gehandelten Bananen sind zugleich auch biozertifiziert.

Bananen gehören zu den wichtigsten fair gehandelten Artikeln in Österreich und sind in dieser Hinsicht Pioniere. Vor 20 Jahren kamen die ersten Bananen mit FairtradeGütesiegel in den heimischen Handel, heute sind es 35.000 Tonnen. Bananen sind hinter Äpfeln das meistverspeiste Obst in Österreich. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 13,7 Kilo. Bei Äpfeln sind es 17,4 Kilo pro Kopf und Jahr. Für den Handel bringen Bananen Umsatz. Handelsketten bieten sie zu aggressiven Preisen an und verzichten auf Marge, um Kundschaft in die Geschäfte zu locken.

Das Reifenlassen der Bananen erfordert hohe Fachkenntnis und Fingerspitzengefühl. In einem ersten Schritt werden die Bananen in Reifezellen mit dem natürlichen Gas Ethylen behandelt, was den Prozess in Gang setzt. Anschließend sorgt eingeblasene Luft dafür, dass alle Bananen gleichmäßig belüftet werden und reifen. Zuvor waren die Früchte je nach ihrer Herkunft – in Österreich meist Peru, Ecuador, Costa Rica oder Dominikanische Republik – bis zu vier Wochen in Spezialschiffen unterwegs. Dabei wird unter Deck bei etwa 14 Grad Celsius Stickstoff eingeblasen "und die Banane damit schlafen gelegt, damit sie nicht vorzeitig reift", sagt Experte Nakladal. Aktuell gibt es in Österreich noch acht bis zwölf Bananenreifeanlagen. Die Anlage in Kaindorf ist nicht nur die mit Abstand größte in Österreich, sondern auch eine der modernsten in Europa. Eine Solaranlage liefert einen Teil der Energie, zusätzlich wird im Winter ein „Freecooler“eingesetzt, der Kälte von der Außenluft nutzt.

Die Wurzeln von Frutura, dem heute größten Vermarkter von Obst und Gemüse in Österreich, reichen ins Jahr 1999 zurück. Da gründete Manfred Hohensinner mit Partnern eine Vertriebsgesellschaft für Dörrobst, aus der die Frutura Obst & Gemüse Kompetenzzentrum GmbH hervorging. Heute werden jährlich 230.000 Tonnen Obst und Gemüse vermarktet, Artikel aus weltweiter Produktion ebenso wie regionale Markenprodukte wie Steiermark Genuss Apfel oder Blumauer Tomaten. Mit 850 Beschäftigten setzt man jährlich 500 Mill. Euro um.

Stolz ist Frutura-Mitgründer und Geschäftsführer Manfred Hohensinner auf die große Geothermieanlage zur Beheizung. Sie nutzt 125 Grad heißes Thermalwasser aus 3000 Metern Tiefe, um in einem künstlichen tropischen Klima auf 260.000 m2 ganzjährig Tomaten, Paprika und Gurken zu erzeugen. Durch den wegfallenden Transport spare man jährlich 28.000 Tonnen CO2 ein. Das entspreche einer Million Kilometern im Lkw, also 25 Erdumrundungen, oder dem jährlichen Verbrauch von 25.000 Haushalten. Nach erfolgter Wärmenutzung wird das Thermalwasser unverändert wieder in die Erde geleitet.

Während er energiemäßig autark arbeiten kann – Zitat: "Mir ist egal, ob Putin das Gas abdreht"–, machen Hohensinner Verpackungen Kopfzerbrechen. Wegen Lieferengpässen und Ukraine-Kriegs seien die Kosten dafür um ein Drittel gestiegen. Unverpackt fielen 20 bis 30 Prozent der Kosten weg. Aber das sei in Österreich unmöglich, "die Leute müssen alles begrapschen".

Quelle:
Salzburger Nachrichten, Wo die Bananen reifen
(Ausgabe vom 11.04.2022)