Wasser



Den Österreichern steht viel mehr Wasser zur Verfügung, als sie verbrauchen. Dennoch werden hierzulande − weitgehend unbemerkt − nahezu unvorstellbare Mengen verschwendet.

Es gibt leichtere Aufgaben, als ausgerechnet einem Österreicher klarzumachen, daß er sorgsam mit Trinkwasser umgehen soll.
Schließlich stehen hierzulande pro Jahr 77 Milliarden m3 Wasser zur Verfügung, wovon allerdings nur ein Bruchteil, nämlich 2,5 Milliarden m3 gebraucht werden. Die Reserven scheinen schier unerschöpflich, die Qualität ist weitgehend weltspitze.
Warum also vor übermäßiger Verschwendung warnen ?

Walter Kling versucht es mit gesundem Menschenverstand:
"Wenn jemand einen riesigen Wald besitzt, wird er nicht einen Großteil der Bäume umsägen, nur weil sie da sind."
Der stellvertretende Betriebsvorstand der Wiener Wasserwerke ortet in puncto Bewusstsein in der Bevölkerung keinerlei Probleme.
In der Bundeshauptstadt werde mit "diesem Schatz" ohnehin sorgsam umgegangen.
Wurden etwa in den 1970er-Jahren pro Tag rund 600.000 m3 Wasser verbraucht, sank dieser Wert − trotz wachsender Einwohnerzahl − auf aktuell unter 500.000 m3.

Bezug und Entsorgung von 1000 Liter Wasser kosten in Wien,
wo beides miteinander verrechnet wird, € 3,60.
"Daran liege es aber nicht", meint Kling.
"Die Österreicher hätten ein gutes Verhältnis zu Wasser. Trotzdem läuft etwas schief – und kaum jemand merkt es."

Laut Umweltministerium verbraucht jeder Österreicher pro Tag 135 Liter.
Stillt er jedoch seinen Hunger mit einem Burger, kommen mit einem Schlag knapp 2500 Liter hinzu.
Beim Kauf von einer Jean sind es sogar 10.000 Liter. Diese Menge Wasser wird bei der Produktion verbraucht − und das oft in Ländern, die ganz und gar nicht mit Wasserreichtum gesegnet sind.

Experten haben dafür einen Begriff: virtuelles Wasser.
Man sieht es nicht, verbraucht es aber dennoch.
16.000 Liter sind es beispielsweise bei einem Kilogramm Rindfleisch.
Da beginnt es schon beim Anbau von Futtermittel.

Wasserexperte Elmar Göbl, der für das Rote Kreuz in den wasserärmsten Regionen der Welt unterwegs ist, um Brunnen zu bauen, ist frustriert: "Wenn man bedenkt, was die europäische Wirtschaftspolitik in diesen Ländern anrichtet, ist das, was wir mit den spärlichen Mitteln aus der Entwicklungszusammenarbeit tun, nur ein Tropfen auf den heißen Stein."

Es sind jedoch nicht nur Textilien und Fleisch, bei deren Herstellung enorme Mengen Wasser anfallen.
Die Fertigung von elektronischen Geräten ist ebenfalls extrem wasserintensiv. Die 20.000 Liter für eine Computermaus stehen allerdings in keiner Relation zu einem Auto, dessen Produktion 400.000 Liter Wasser verschlingt.

Laut Vereinten Nationen werden 40 Prozent des globalen Wasserverbrauchs in Form von Produkten gehandelt.
Die USA, Brasilien und Thailand gelten als größte Exporteure von virtuellem Wasser, nahezu alle europäischen Länder − und somit auch Österreich − sind Importeure.

"Wir Österreicher sind gesegnet, was die Ressourcen angeht, sollten aber tunlichst darauf achten, daß wir unser Wasser nicht verschmutzen. Denn die Aufbereitung benötigt wiederum wahnsinnig viel Energie", betont Nunu Kaller von Greenpeace, die für einen respektvollen Umgang mit Wasser plädiert.
"Die Wasserverschmutzung ist eine weltweite Katastrophe. Und zur selben Zeit spülen wir unsere Toiletten mit Trinkwasser. Das ist absurd."

Während Österreich wohl Wasserparadies bleiben wird, leiden zwei Drittel aller Menschen unter Wassermangel.
Vier Milliarden, darunter knapp zwei Milliarden in Indien und China, hätten zumindest einen Monat im Jahr nicht genug davon, hieß es kürzlich in einer Studie aus den Niederlanden.
Demnach mangelt es rund 500 Millionen Menschen das ganze Jahr über an ausreichend Wasser. Die Einschätzung der Experten von der Universität Twente ist deutlich düsterer als bisherige Berechnungen, die die Gesamtzahl der Betroffenen mit 1,7 bis 3,1 Milliarden Menschen bezifferten.
Besonders betroffen sind laut den Autoren neben Indien und China auch Bangladesch, Pakistan, Nigeria, Mexiko und der Süden und Südwesten der USA.

Befeuert wird diese prekäre Situation von den Folgen des Klimawandels, der für einen Anstieg von extremen Wetterereignissen verantwortlich zeichnet.
Der Worldwide Fund for Nature (WWF) stellt eine höchst unerfreuliche Berechnung an: Die Erde ist zu mehr als 70 Prozent von Wasser bedeckt, doch nur drei Prozent sind trinkbares Süßwasser und davon ist wiederum nur ein Prozent für die menschliche Nutzung erreichbar.
Falls die derzeitige Entwicklung anhält, werden, so der WWF, in nur 20 Jahren mindestens 3,5 Milliarden Menschen in wasserarmen Flußeinzugsgebieten leben.

Quelle:
Salzburger Nachrichten, Wie viel Wasser kosten Jeans
(Ausgabe vom 06.04.2016)