Wasser



Wie schnell sich das Blatt wenden kann: Wochenlang hatten Horrormeldungen über den "Day Zero" die Berichterstattung über Kapstadt und seine Wasserkrise bestimmt − den Tag, an dem die Wasserversorgung der Vier−Millionen−Stadt zusammenbrechen und Kapstadt als erste Metropole weltweit sprichwörtlich austrocknen würde.
Von einem unaufhaltsamen Kollaps war die Rede, von Chaos und Anarchie im Kampf der Menschen um das Wasser.

Nachdem der kritische Tag zunächst von Mitte April über Anfang Juni bis in den späten August gewandert war, verkündete die in Kapstadt tonangebende liberale Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA) in Gestalt ihres Vorsitzenden Mmusi Maimane Mitte März, dass Day Zero für 2018 abgesagt worden sei − und das, obwohl bislang noch niemand weiß, wie der für Kapstadt so wichtige Winterregen zwischen Mai und August ausfallen wird.

Gewagt ist die Absage aber auch deshalb, weil 2017, nach zwei bereits sehr schwachen Regenjahren, das regenärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen vor fast einem Jahrhundert war.

War die ganze Aufregung also nur Panikmache oder ist die Apokalypse womöglich nur verschoben? Sicher ist, dass die Lage zu Jahresbeginn bitterernst war − und nicht wenige Experten, wie etwa Kevin Winter von der Universität Kapstadt, Day Zero für fast unausweichlich hielten. Die daraufhin mit viel Elan gestartete Kampagne zum Wassersparen zeigte jedoch sofort Wirkung.

Seit Beginn der Dürre im Jahr 2015 hat die südafrikanische Küstenmetropole ihren täglichen Wasserverbrauch um sagenhafte 60 Prozent reduziert − ein Rückgang, der von Experten als "weltweit beispiellos" beschrieben wird. Der Rückgang ist umso bemerkenswerter, als die Kapstädter noch vor drei Jahren im Schnitt mit täglich 235 Litern Wasser pro Person mehr als den weltweiten Durchschnitt von 160 Litern verbraucht hatten.

Die drohende Katastrophe hat die Stadtverwaltung dazu bewogen, nicht mehr wie bislang einfach auf den Regen zu warten, sondern die Wasserversorgung auf eine breitere Grundlage zu stellen.

Allein in den nächsten beiden Jahren fließen rund 250 Millionen Euro in alternative Wasserquellen. Bereits in Kürze wird eine erste große Meerwasserentsalzungsanlage in Betrieb gehen. Vielerorts wird erfolgreich nach Grundwasser gebohrt. Abwasser soll verstärkt aufbereitet werden. In nur zwei Jahren sollen täglich weitere 300 Millionen Liter pro Tag zusätzlich zur Verfügung stehen − mehr als die Hälfte des gegenwärtigen Tagesverbrauchs.

Auch hat die für Kapstadt und das Umland so wichtige Landwirtschaft eine zentrale Rolle gespielt: Mit dem Ende der Erntezeit im Februar ging der Wasserverbrauch drastisch zurück. Nicht nur das: Landwirte aus einer von der Dürre verschonten Region nordöstlich von Kapstadt spendeten mehr als zehn Milliarden Liter Wasser aus ihren prall gefüllten Reservoirs. Allein damit kann der Wasserverbrauch der Stadt nun fast einen weiteren Monat lang gedeckt werden.

Dennoch ist Vorsicht geboten. Wasserexperte Kevin Winter weist darauf hin, dass mit der Entwarnung wieder der alte Schlendrian einsetzen könnte, wie der rasche Anstieg des Verbrauchs um fast 10 Prozent in den Tagen nach der Entwarnung zeigt.

Am Alltagsleben am Kap dürfte sich trotzdem wenig ändern. Die strengen Sparvorgaben bleiben in Kraft. Demnach dürfen Kapstadts Bürger nur 50 Liter pro Person am Tag verbrauchen − für die persönliche Hygiene über die WC-Spülung bis zur Waschmaschine. Bei höherem Verbrauch steigen die Gebühren drastisch.

Selbst bei einer guten Regenzeit zwischen Mai und August dürfte es dauern, bis der extreme Wassermangel behoben ist.

Die Meteorologen sind vorsichtig optimistisch: So hat sich das kräftige Hoch über dem Südatlantik, dessen Stärke die Tiefdruckgebiete weit nach Süden abgedrängt hatte, bereits im März spürbar abgeschwächt, was den Tiefs aus der Antarktis ein leichteres Durchkommen nach Kapstadt ermöglichen sollte. Auch hat der ungewohnt kühle März dafür gesorgt, dass weniger Wasser als erwartet aus den Stauseen, die immer noch für rund 95 Prozent der Kapstädter Wasserversorgung verantwortlich sind, verdunstet ist.
Neue Engpässe sind aber jederzeit möglich. "Allen Bürgern muss klar sein, dass wir nie wieder so viel Wasser verbrauchen können wie zuvor", meint Xanthea Limberg, die Wasserbeauftragte von Kapstadt.

Die Absage von Day Zero ist zwar eine Form der Entwarnung − allerdings nur unter Vorbehalt.

Quelle:
Salzburg Nachrichten, Kapstadt lebt mit der Dürre
(Ausgabe vom 09.04.2018)