Afrika



Rund 19 Kilogramm Kleidung werden laut der Umweltschutzorganisation Global 2000 in Österreich pro Person und Jahr gekauft.
Herr und Frau Österreicher geben dabei jährlich rund € 9,2 Mrd. aus.
Billige Massenwaren und Onlinehandel ermöglichen es noch schneller, noch mehr und noch günstiger einzukaufen.

In unseren Kleiderschränken regiert die Kurzlebigkeit, Kleidung wird immer mehr zur Wegwerfware. Spätestens nach drei Jahren werden mehr als die Hälfte der Oberteile, Hosen und Schuhe ausgemustert und entsorgt. Der größte Teil davon landet im Hausmüll (in Österreich jährlich ca. 75.000 Tonnen), aber auch in Sammelstellen oder bei Haussammlungen.

Laut einem Bericht von RepaNet, dem Re-Use und Reparaturnetzwerk Österreich, geben soziale Unternehmen allerdings lediglich 2,5 % der Sammelware gratis an Bedürftige ab und verkaufen durchschnittlich 15 % ihrer gesammelten Alttextilien in den eigenen Läden. Über 80 % wird über den internationalen Großhandel vertrieben. Für diesen Zweck sammeln auch profitorientierte Textilhändler und lukrieren damit Gewinne in Millionenhöhe. Aus der humanen (Kleider)Spende ist ein beinhartes Geschäft geworden.

Von den in Österreich gesammelten Altkleidern wird also nur ein verschwindend kleiner Teil kostenlos oder zumindest günstig an hiesige Bedürftige abgegeben. Der Rest muss dahin gebracht werden, wo es einen Markt dafür gibt. Nach Aussortierung wertvollerer Stücke, die für den (ost)europäischen Bedarf bestimmt sind, gelangen schließlich pro Jahr mehr als 400.000 Tonnen gebrauchte Kleidungsstücke über schwer durchschaubare Betriebskanäle global operierender Händler in afrikanische Länder. Die britische NGO Oxfam, die selbst in diesem Bereich aktiv ist, schätzt, dass mindestens 70 % der weltweiten Kleidersammlungen in Afrika landen. Sie stellen dabei eine massive Konkurrenz zur lokalen Textilproduktion und einen Eingriff in die traditionelle Kultur dar. Viele Menschen vor Ort können oft schwer nachvollziehen, warum wir noch gut brauchbare Textilien wegwerfen − sie werden deshalb im Volksmund auch "die Kleider der toten Weißen" genannt. Doch die Armut lässt den Menschen keine Wahl.

Ein Großteil der afrikanischen Bevölkerung ist auf Second−Hand angewiesen, das im Gegensatz zu chinesischen Billigimporten, die zwar neu, aber oft von schlechterer Qualität sind, eine tragbare Alternative darstellt.

Mitumba – Swahili für "Bündel" − ist der Name für die in Kunststoff verpackten Ballen aus Second−Hand−Kleidung, die zum Kilopreis auf afrikanischen Märkten verkauft werden.

Die Überschwemmung mit Billigwaren aus Europa und den USA führte zum endgültigen Niedergang der lokalen Textilproduktion, die es bereits seit den 1980er Jahren schwer hatte, den von IWF und Weltbank aufgezwungenen Strukturanpassungsprogrammen standzuhalten.

"Als der Import von gebrauchter Kleidung vor etwa zehn Jahren im großen Stil anlief, hatte das verheerende Auswirkungen auf die afrikanische Textilindustrie, zahlreiche Fabriken haben seither geschlossen", meinte dazu Neil Kearney (2009), langjähriger Generalsekretär der internationalen Textilarbeitergewerkschaft ITGLWF.
So arbeiteten etwa vor ein paar Jahrzehnten in Kenias Bekleidungsindustrie noch 500 000 Menschen − heute sind es nur noch 20 000.
In Ghana reduzierte sich die Zahl der Arbeitsplätze im Textilbereich zwischen 1975 und 2000 um 80 %.
Die Hälfte der verkauften Kleidung in Tunesien stammt aus "zweiter Hand", in Uganda sind es sogar über 80 %.

Inzwischen hat sich rund um das Geschäft mit Altkleidern aber auch eine neue Industrie gebildet, an der hunderttausende Arbeitsplätze − von der Sortiererin bis zum Straßenverkäufer − hängen.
Ein Importverbot, wie es aktuell die ostafrikanischen Staaten Burundi, Tansania, Kenia, Ruanda und Uganda durchsetzen wollen, stößt deshalb auch auf Widerstand der eigenen Bevölkerung.

Quelle:
Glocker G., Wögerer M., Mitumba − Die Kleider der toten Weißen
(abgerufen am 14.08.2018)