Afrika



Ursachen für Afrikas Misere gibt es viele: der Klimawandel, der die Regionen südlich der Sahara zu Wüsten macht; Kriege aus ethnischen Motiven oder wegen wertvoller Rohstoffe; die Kleptokratie von Potentaten und einer kleinen Oberschicht. Das gestohlene Vermögen landet in den Finanzzentren der Industriestaaten oder in Immobilien an Nobeladressen (geschätztes Volumen: mindestens 600 Mrd. US-Dollar). Es ist die Handelspolitik der Industriestaaten, die den Staaten Afrikas nicht hilft, sondern sie nur ärmer macht. Die Agrarproduktion Afrikas wird verdrängt, weil die subventionierten Importe aus der EU billiger sind. Die Küsten Westafrikas werden von EU−Fangflotten leergefischt, das ruiniert die lokalen Fischer. Dazu kommt, dass sich Afrikas Bevölkerung bis 2050 aller Voraussicht nach verdoppeln wird.

Hingegen ist Entwicklungshilfe zu gering und agiert oft an den Bedürfnissen vorbei. Millionen Menschen machen sich daher auf den Weg, um Hunger, Terror und Krieg zu entkommen. Und das ist ohne Verbesserung der Verhältnisse nicht zu stoppen. "Hilfe vor Ort" ist das politische Schlagwort zur Bekämpfung der Fluchtursachen. Doch die Verhältnisse ändern sich nicht durch Worte und auch nicht durch EU-Flüchtlingslager in Nordafrika. Zum Tode Verdammte schreckt man nicht mit der Botschaft ab, dass die Überlebenschancen bei einer Flucht "nur" 50, 30, 20 Prozent betragen.

Den Worten müssen Taten folgen. Beginnen wir damit, Afrika zu elektrifizieren und die Infrastruktur zu modernisieren. Allein ein Fünftel der weltweiten Feinstaubemissionen entsteht in Afrika (Hausbrand und Kerosinlampen). Um Afrika zu helfen und das Klima zu schützen, müssten rasch Milliarden für die Elektrifizierung bereitgestellt werden. Strom ermöglicht gleichzeitig eine bessere Wasserversorgung und Modernisierung der Infrastruktur. Stoppen wir das Leerfischen der Küsten Afrikas und die Konkurrenzierung der afrikanischen Bauern. Sorgen wir dafür, dass Afrikas Reichtum den Afrikanern zugutekommt, und stoppen wir die Kapitaltransfers von korrupten Eliten durch effektivere Kontrollen. Ändern wir die Schwerpunkte der Entwicklungshilfe und achten wir stärker auf Rechtsstaatlichkeit und Kontrolle. Und setzen wir mehr Anreize für Eigeninitiative und "gutes Wirtschaften".

Soll der Massenexodus gestoppt werden, müssen wir auch mehr Geld bereitstellen. Das vereinbarte Ziel für die Entwicklungshilfe der reichen Staaten lautet 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). Davon sind die EU und auch Österreich weit entfernt. Unsere Ausgaben für Entwicklungshilfe betrugen laut OECD 2017 sehr bescheidene 0,35 Prozent (1,25 Mrd. Euro) des BNE. Die bilaterale Entwicklungshilfe für konkrete Projekte vor Ort liegt etwa bei mageren 200 Mill. Euro (davon maximal die Hälfte für Afrika). Und eine Aufstockung ist nicht in Sicht. Kein Ruhmesblatt für eines der reichsten Länder der Welt.


Marianne Kager war fast 20 Jahre Chefökonomin der Bank Austria.
Heute ist sie selbstständige Beraterin.

Quelle:
Salzburger Nachrichten, Was am Brennpunkt Afrika alles zu tun wäre
(Ausgabe vom 22.08.2018)