Eindeutig


Immer wieder behaupten Menschen in Sozialen Netzwerken, dass die Klimaerwärmung durch die Sonne verursacht worden sei und nicht durch die Bevölkerung. Aktuell versuchen sie das durch eine Studie zu belegen − doch die wurde bereits vor drei Jahren wegen Fehlerhaftigkeit zurückgezogen, wie ein APA−Faktencheck zeigt.

Social Media−Postings beziehen sich auf einen Online−Blog, der über die Studie berichtete. Der Blog verbreitete in der Vergangenheit mehrfach falsche oder irreführende Informationen, wie Faktenchecks zeigen (etwa hier oder hier). Das Paper unter anderem von der Astrophysikerin Valentina Zharkova von der Northumbria Universität wurde bereits im Juni 2019 auf dem Open Access Journal "Scientific Reports" veröffentlicht. Im März 2020 wurde es aufgrund von inhaltlichen Fehlern wieder zurückgezogen.

Die Studie behauptet, dass der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur in den letzten zwei Jahrhunderten eng in Zusammenhang steht mit einer gesteigerten Strahlungsintensität der Sonne. Dieser Trend könne zu einem weiteren "natürlichen" Anstieg der Temperatur um mehr als 2,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2600 führen, heißt es. Während sich der Kurs der Sonne geändert habe, sei jener der Erde gleichgeblieben. Dadurch habe sich die Distanz zwischen den beiden geändert, was zu einer Erwärmung der Erde geführt habe, so die Schlussfolgerung.

Das bekannte Wissenschaftsmagazin Phys.org schrieb, kurz nachdem das Paper zurückgezogen wurde, dass gemäß früheren Forschungen die Sonne tatsächlich über längere Zeiträume gesehen von ihrem Kurs abweichen kann. Allerdings hätten "praktisch alle Arbeiten zu dessen Auswirkungen" gezeigt, dass die Erde sich gleichermaßen mitbewege − es also zu keiner veränderten Distanz zwischen Sonne und Erde käme. An der Studie wurde demnach kritisiert, dass Zharkova und die anderen Autoren keine Beweise für ihre Behauptungen vorgelegt hätten. Stattdessen würden deren Ergebnisse auf Annahmen über die Bewegungen von Sonne und Erde basieren.

Die Herausgeber von "Scientific Reports" schrieben in ihrer "Retraction Note", dass das Paper zurückgezogen worden war, weil nach der Veröffentlichung Bedenken geäußert wurden, dass ein paar der Annahmen, auf denen die Schlussfolgerungen der Studie basieren, unrichtig seien. "Aktuelle Berechnungen zeigen, dass der Abstand zwischen Erde und Sonne in einer Zeitspanne von ein paar Jahrhunderten um wesentlich weniger als das in dem Artikel angegebene Maß variiert. Infolgedessen haben die Herausgeber kein Vertrauen mehr in die vorgelegten Schlussfolgerungen."

Berichte über die stark kritisierte Studie gab es etwa auch im Online−Portal "Retraction Watch", in der britischen Online−Zeitung "The Independent" und in der Fachzeitschrift "New Scientist".

Laut letzterer haben mehrere Fachleute, darunter Gavin Schmidt vom NASA Goddard Institute for Space Studies an der Columbia Universität in New York City und Ken Rice, Professor am Institut für Physik und Astronomie der Universität Edinburgh, "grundlegende Fehler" in dem Papier gefunden. Demnach forderten beide das Journal auf, den Artikel zurückzuziehen, Rice bezeichnete dessen Veröffentlichung als "peinlich".

In den Kommentaren unter dem Paper auf der Webseite des "Scientific Reports" zeigte sich Zharkova nicht einsichtig und warf dem Journal unter anderem vor, die Studie "ohne jegliche Grundlage" zurückgezogen zu haben. Zharkova ist mit Interviews und Präsentationen stark vertreten auf der Plattform "Net Zero Watch", die in Verbindung steht mit dem klimaskeptischen Thinktank "Global Warming Policy Foundation". Über die klimaskeptischen Positionen der Foundation gibt es mehrere Berichte.

Laut dem "State of the Global Climate"−Report der World Meteorological Organization ist der Anteil von CO2 bis zum Jahr 2020 auf etwa 413 parts per million (ppm) und bis 2022 auf 417 ppm gestiegen. Ein ⁠ppm⁠ entspricht einem Molekül Kohlendioxid pro einer Million Moleküle trockener Luft. Zu Beginn der Industriellen Revolution lag der CO2−Anteil bei etwa 280 ppm.

Während die Emissionen in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch langsam stiegen, schossen sie dann etwa ab dem Jahr 1950 in die Höhe. Demnach stieg der CO2−Anteil in der Atmosphäre in den letzten 60 Jahren 100 Mal schneller als beispielsweise am Ende der letzten Eiszeit vor 11.000 bis 17.000 Jahren.

Die vom Menschen verursachte Zunahme der atmosphärischen Konzentration von Treibhausgasen nennt man auch anthropogenen Treibhauseffekt. Wie das deutsche Umweltbundesamt ausführt, ist der Treibhauseffekt maßgeblich für die Erwärmung des Erdklimas verantwortlich. Laut dem Sonderbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) aus dem Jahr 2018 wird geschätzt, dass menschliche Aktivitäten eine globale Erwärmung von etwa einem Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau verursacht haben. Die regelmäßig erscheinenden Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) geben den Status quo der Klimaforschung wieder und beziehen alle relevanten Studienergebnisse mit ein.

Die jetzigen Klimaveränderungen können nicht durch natürliche Mechanismen erklärt werden − "es sind unbestreitbar menschliche Einflüsse, die momentan die Erde aufheizen", schreibt auch die Informationsplattform Klimafakten. Die Plattform sammelt gängige Klimamythen und widerlegt diese. In einem weiteren Artikel erklärt die Informationsplattform, dass natürliche das Klima beeinflussende Faktoren über viel längere Zeiträume wirken, etwa innerhalb von Millionen von Jahren.

Zum Vergleich: Der CO2−Anteil in der Atmosphäre schoss wie oben dargelegt innerhalb von nur etwa 70 Jahren massiv in die Höhe. Externe Faktoren wie die "Strahlungsintensität der Sonne, kosmische Strahlung, vulkanische Aktivitäten" haben sich demnach in den letzten Jahrzehnten nicht signifikant verändert.

In einer Zusammenfassung des sechsten IPCC−Sachstandsberichts aus dem Jahr 2021 werden in Grafiken die Klimaveränderungen der vergangenen Jahrzehnte anhand der globalen Oberflächentemperatur simuliert. Dabei zeigt sich, dass sich die aktuell beobachtete Erwärmung nur dann abbilden lässt, wenn man zusätzlich zu den natürlichen auch die menschlichen Faktoren hinzurechnet. Würde man nur die natürlichen Faktoren hernehmen, hätte sich die Temperatur in den letzten 170 Jahren kaum erhöhen dürfen bzw. teilweise sogar verringern müssen.

Die Plattform Klimafakten schreibt, dass die Sonnenaktivität seit 1960 − im Gegensatz zur Entwicklung der globalen Temperatur − einen "leicht abkühlenden Trend" gezeigt habe. In einer Studie, die bereits im Jahr 2005 veröffentlicht wurde, heißt es: "Während den letzten 30 Jahren zeigten die Strahlungsintensität der Sonne, die solare UV−Strahlungsintensität und die kosmische Strahlung keinen signifikanten säkularen Trend, sodass zumindest diese jüngste Erwärmungsepisode einen anderen Ursprung haben muss."

Auch in Kapitel 7.2.2.3 (S. 938) des IPCC−Berichts ist die Rede von einer "Abnahme der Oberflächen−Sonnenstrahlung zwischen den 1950ern und den 1980ern". In Kapitel 7.3.5.3 (S. 961) zeigt eine Grafik, welche Faktoren am meisten zur Erderwärmung im Jahr 2019 im Verhältnis zu 1750 beigetragen haben: Den Löwenanteil macht CO2 und andere mit dem Menschen ("anthropogenic") in Zusammenhang stehende Gase aus. Natürliche Faktoren wie die Sonne oder Vulkane kommen über die 0−Linie der Grafik quasi nicht hinaus.

Quelle:
https://science.orf.at/stories/3220695/
(abgerufen am 11.08.2023)