Neue Zölle


Das Moratorium der Welthandelsorganisation (WTO) für Zölle auf digitale Übertragungen war jahrzehntelang eine tragende Säule der Entwicklung im Onlinesektor. 1998 verpflichteten sich die WTO−Staaten, keine Zölle auf Güter und Dienstleistungen einzuheben, die rein elektronisch geliefert werden − beispielsweise im Onlinehandel erworbene Lizenzen und Streamingdienste. Nun wankt das Moratorium gehörig, höhere Preise könnten die Folge sein.

Als das Internet in den späten 1990er Jahren einen Boom erlebte, kämpften die Regierungen weltweit mit der Frage, wie sie diesen neuen, scheinbar grenzenlosen Markt regulieren sollten. Einerseits lag es im Interesse aller, das Internet − und den globalen elektronischen Handel − so weit wie möglich wachsen zu lassen, selbst wenn das bedeutete, auf einige Steuern und Zölle zu verzichten.

Auf der anderen Seite waren einige Regierungen der Meinung, dass die Zölle, die für den stationären Handel gelten, auch in der digitalen Welt Anwendung finden sollten. Eine Lösung musste schnell gefunden werden. Im Mai 1998 beschlossen die WTO−Mitglieder, dem freien Markt den Vorrang zu geben und auf Zölle im elektronischen Handel (E−Commerce) zu verzichten.

Seitdem wurde das Moratorium auf der alle zwei Jahre stattfindenden WTO−Ministerkonferenz Mal für Mal verlängert, zuletzt wuchs der Widerstand dagegen aber beträchtlich. Und die Regelfindung in der WTO gilt aufgrund des Prinzips der Einstimmigkeit generell als schwierig. Bei der letzten Ministerkonferenz (MC13) in Abu Dhabi vor einem Monat kam nur mehr ein Minimalkonsens zustande − und das nur auf Drängen der Gastgeber.

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Die Länder einigten sich, vorerst weiter keine Zölle im Digitalhandel zu erheben, aber nur bis zur nächsten WTO−Ministerkonferenz, höchstens also bis 31. März 2026. Da müsste dann neu entschieden werden. Die Hoffnung vieler Mitgliedsstaaten, dass die seit 1998 gängige Praxis ohne Zölle als Standard festgelegt werden könnte, hatte sich zerschlagen.

Dabei steht viel auf dem Spiel: 2022 wurden im Handel mit digital erbrachten Dienstleistungen 3,82 Billionen US−Dollar (3,5 Billionen Euro) umgesetzt. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) machte das 54 Prozent des weltweiten Dienstleistungshandels aus. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Anteil zurückgehen wird: In den vergangenen 20 Jahren stieg er jährlich um durchschnittlich 8,1 Prozent.

Befürworter des Moratoriums argumentieren, dass dieses den Verbrauchern und Verbraucherinnen zugutekommt, indem es die Kosten niedrig hält und die Verbreitung digitaler Dienste in reichen und armen Ländern fördert.

Kritiker − allen voran Südafrika, Indien und Indonesien − sind der Ansicht, dass ihnen Steuereinnahmen entgehen, weil die meisten digitalen Produkte aus reicheren Ländern importiert werden. Sie sehen eine "steuerliche Diskriminierung" zwischen E−Commerce−Händlern und stationären Geschäften, die dadurch verschärft werde, dass Erstere in der Regel ausländisch, Zweitere einheimisch seien. Indonesien arbeitet bereits an einem System, um Zölle auf digitale Waren zu erheben.

Auf der anderen Seite sind mehrere große Volkswirtschaften − darunter die Europäische Union, China, Japan und Kanada − der Meinung, dass das Moratorium verlängert werden sollte. In einem Briefwechsel erklärten Delegationen aus diesen und 27 weiteren Ländern, die WTO solle während der zweijährigen Verlängerungsfrist weiter über den "Umfang, die Definition und die Auswirkungen des Moratoriums" beraten und die Frage 2026 erneut aufgreifen, berichtete "Forbes".

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Angesicht dieser Diskrepanzen zeigte sich WTO−Generaldirektorin Ngozi Okonjo−Iweala gegenüber der "Financial Times" ("FT") zuletzt skeptisch, was eine Verlängerung des Moratoriums betrifft. Erste Zölle auf digitale Produkte könnten Verbraucher und Unternehmen ab 2026 treffen und die Preise in einigen Ländern in die Höhe treiben. "Ich glaube nicht, dass die Mitglieder bereit sind, alle paar Jahre weiter darüber zu streiten. Also haben sie sich auf dieses Datum (2026, Anm.) geeinigt. Das ist ein Signal an die Unternehmen, was sie tun müssen."

Okonjo−Iweala betonte, dass die meisten Regierungen aber wohl auch nach 2026 weiterhin Zölle auf den elektronischen Handel erlassen würden. Die USA, China, die EU−Länder und die meisten lateinamerikanischen Länder gehören zu den mehr als 80 WTO−Mitgliedsstaaten, die über ein freiwilliges Moratorium verhandeln würden. "Diejenigen, die weiterhin keine Zölle auf elektronische Übertragungen erheben wollen, können das tun. Nichts hält sie davon ab." Die Vorteile eines globalen Abkommens wären damit freilich dahin.

Quelle:
https://orf.at/stories/3352796/
(abgerufen am 28.03.2024)