Friedensgipfel


Die UNO−Migrationsorganisation IOM spricht von einem der "kompliziertesten und vielschichtigsten Konflikte", der bereits Millionen Menschen zur Flucht gezwungen hat: der bewaffnete Konflikt im rohstoffreichen Nordosten der Demokratischen Republik (DR) Kongo. Am Sonntag versucht der Nachbar Angola, einen noch sehr wackeligen Friedensprozess auf einem Gipfel mit den Präsidenten der DR Kongo und Ruandas, Felix Tshisekedi und Paul Kagame, voranzutreiben. Wegen des Rohstoffreichtums hat der Dauerkonflikt längst eine internationale Bedeutung.

Wenige Tage vor dem Gipfel in Angolas Hauptstadt Luanda waren die Kämpfe zwischen der kongolesischen Armee und der von Ruanda unterstützten Rebellengruppe M23 (Bewegung 23. März) im Osten des Landes neu aufgeflammt. Die Armee fügte den Rebellen nach eigenen Angaben bei Kämpfen in Nordkivu schwere Verluste zu. Bei den Gefechten gab es mehrere Tote und Verletzte.

Unter Vermittlung Angolas hatten beide Seiten im Juli einen Waffenstillstand vereinbart, der Anfang August in Kraft trat. Er war und ist aber brüchig. Die USA zeigten sich Anfang Dezember etwa "tief besorgt" über Verstöße gegen die Waffenruhe durch die M23−Miliz. Im November einigten sich Kinshasa und Kigali auf die Bedingungen für einen Abzug ruandischer Truppen aus der DR Kongo.

In der DR Kongo − vor allem im Osten des Landes − befinden sich die größten bekannten Reserven wichtiger Metalle wie Kupfer und Seltenerdmetalle, die für elektronische Bauteile und die Energiewende von zentraler Bedeutung sind. Mit der zunehmenden Abhängigkeit der Weltwirtschaft von Kobalt, Kupfer, Zink und anderen Mineralien stieg der Anreiz für mehr und mehr lokale und internationale Interessengruppen, in dem Konflikt mitzumischen.

Friedensgipfel 01

So ist etwa China, das viele der regulären Minen betreibt, längst ein wichtiger Faktor auch in der regionalen Politik und unterstützt das Militär der DR Kongo. US−Präsident Joe Biden unternahm mit einem Besuch in Angola Anfang Dezember den Versuch, hier ein Gegengewicht zu schaffen. Unter seinen Amtsvorgängern Barack Obama und Donald Trump hatten US−Bergbaukonzerne die DR Kongo verlassen.

China nutzte die Chance, in Afrika seinen Einflussbereich − wirtschaftlich gewinnbringend − auszubauen. Angolas Joao Lourenco könnte nun versuchen, bei den Verhandlungen am Sonntag mit Tshisekedi und Kagame auch seine strategisch−militärische Partnerschaft mit den USA als Druckmittel einzubringen, um eine Einigung zu erzielen.

Die M23 ist die größte von den mehr als 100 bewaffneten Gruppen, die seit Jahren um Macht und Einfluss in der unter anderem an Ruanda grenzenden, rohstoffreichen Region kämpfen. Sie kämpfen um Macht, Land und die einträglichen Minen. Viele kleinere Gruppen versuchen, ihre Gemeinschaft zu schützen. Vor allem den großen Milizen wie M23 werden Massenmorde und ethnische Säuberung vorgeworfen.

Auch Söldnertruppen sind im Osten der DR Kongo aktiv. Dazu kommen eine UNO−Eingreiftruppe und ein mehrere tausend Mann starkes Kontingent der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC), der die DR Kongo angehört.

Friedensgipfel 02

Der schwere, seit vielen Jahren andauernde Konflikt mit einer Unzahl an kämpfenden Parteien hat eine der schlimmsten humanitären Krisen auf der Welt ausgelöst. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) der UNO spricht von einer der "kompliziertesten und vielschichtigsten Krisen der Welt". Rund sieben Millionen Menschen wurden vertrieben, das Gros lebt als Binnenflüchtlinge, vielfach in riesigen provisorischen Lagern, die selbst wiederholt Ziel von Angriffen wurden und werden.

Die DR Kongo und die UNO werfen Ruanda vor, die M23 zu unterstützen. Ruanda bestreitet das. Im Februar räumte Ruanda allerdings ein, Truppen und Raketensysteme im kongolesischen Kampfgebiet stationiert zu haben. Kigali rechtfertigte das mit der eigenen nationalen Sicherheit und verwies seinerseits auf Truppenkonzentrationen der kongolesischen Armee an der Grenze. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) beschuldigt beide Seiten, auch heuer Flüchtlingslager − etwa um die Provinzhauptstadt Goma − beschossen zu haben.

Der mit Unterbrechungen sei 1996 andauernde Konflikt hat mittlerweile schätzungsweise sechs Millionen Menschenleben gefordert, so die US−Denkfabrik Council on Foreign Relations (CFR). Der erste Kongo−Krieg im Osten des Landes begann 1996. Er brach im Gefolge des Genozids von Hutu−Extremisten an den Tutsi und gemäßigten Hutu im benachbarten Ruanda aus, bei dem rund eine Million Menschen ermordet wurde. Im Gefolge des Genozids setzte sich die Ruandische Patriotische Front (RPF) gegen die Regierung durch, die den Genozid verantwortete.

Daraufhin flüchteten rund zwei Millionen Hutu in die DR Kongo, vor allem in Flüchtlingslager in den Provinzen Nord− und Südkivu. Unter ihnen waren viele Täter, die Milizen zur Rückeroberung der Macht in Ruanda bildeten. In der Folge bildeten auch die Tutsi Milizen − und verschiedene Länder unterstützten die beiden Lager und befeuerten somit den Konflikt. Das führte dazu, dass die neue ruandische Führung unter dem bis heute als Präsident amtierenden Kagame wiederholt militärisch im Nachbarland intervenierte.

Friedensgipfel 03

Es kam seit 1996 zu insgesamt drei Kongo−Kriegen. 2012 flammte der Konflikt erneut auf, und die damals − aus der Vorgängergruppe CNDP gegründete − M23 eroberte zwischenzeitlich die Provinzhauptstadt Goma. Im November 2013 unterlag sie aber der Armee der DR Kongo, an deren Seite eine UNO−Eingreiftruppe stand.

Im März 2022 startete die M23 erneut eine Offensive in Nordkivu, die teils von der ruandischen Armee unterstützt worden sein soll. Eine Vermutung lautet, Ruanda habe die M23 unterstützt und damit die Errichtung eines großen Landkorridors von der DR Kongo nach Uganda verhindern wollen. Derzeit wird ein Großteil der abgebauten Mineralien via Ruanda außer Landes − großteils nach China − gebracht.

Unklar ist, was angesichts der gegensätzlichen Interessen − und der vielen anderen Milizen, die teils auch eigenständig operieren − beim Gipfeltreffen am Sonntag erreicht werden kann. Erst vor wenigen Tage wurde der UNO−Sicherheitsrat über die aktuelle Lage im Osten der DR Kongo informiert.

Die Leiterin der UNO−Mission im Land, Bintou Keita, begrüßte das Engagement Angolas, das internationale Unterstützung verdiene. Keita betonte zugleich, dass es für echten Frieden und nachhaltige Stabilität viele Vermittlungsinitiativen auch auf regionaler und lokaler Ebene unter Einbeziehung dortiger zivilgesellschaftlicher Organisationen brauche.

Quelle:
https://orf.at/stories/3378655/
(abgerufen am 17.12.2024)