Nächste Bedrohung


Nicht nur die Gletscher, auch Eishöhlen sind vom Klimawandel bedroht. Das zeigt eine Untersuchung von Innsbrucker Geologen, die erstmals umfassend Eisverluste und −zuwächse in alpinen Eishöhlen über mehr als 2.000 Jahre dokumentiert haben.

Der im Fachjournal "Scientific Reports" veröffentlichten Studie zufolge droht speziell in kleineren Höhlen das Eis bald zu verschwinden − womit auch ein wertvolles Klimaarchiv verloren geht, wie die Forscher betonen.

Bei Eishöhlen denkt man primär an bekannte Formationen wie die Eisriesenwelt in Werfen (Salzburg) und die Dachstein−Rieseneishöhle in Obertraun (Oberösterreich) mit großen, eindrucksvollen Eislandschaften. Tatsächlich gibt es in Österreich geschätzt 1.200 eisführende Höhlen, "aber wir haben selbst nach rund 120 Jahren wissenschaftlicher Höhlenforschung noch keinen vollständigen Überblick darüber", sagte Christoph Spötl vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck gegenüber der APA.

Als Eishöhlen definieren die Forscher dabei Felshöhlen, die dauerhaftes Eis enthalten, also keine Gletscherhöhlen. Die meisten davon finden sich in Karstgebieten, viele sind mehr oder weniger steil abfallende Schächte, in denen sich Schnee sammelt und bei entsprechend tiefen Temperaturen zu Eis verdichtet.

Tanguy Racine aus der Arbeitsgruppe für Quartärforschung rund um Spötl hat nun über die vergangenen Jahre acht Eishöhlen in Tirol, der Steiermark, Oberösterreich und Kärnten eingehend analysiert. Sie befinden sich alle in ähnlicher Seehöhe (zwischen 1.500 und 2.100 Metern) und haben ähnliche Geometrie. In teilweise waghalsigen Kletterpartien entnahmen die Wissenschaftler Proben aus den oft viele Meter dicken Eisschichten.

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Anhand von im Eis eingeschlossenen Holzresten können sie mit Hilfe der Radiokarbonmethode das Alter der Schichten bestimmen. Das älteste Eis fanden sie in der Eisgruben−Eishöhle im Sarstein (Oberösterreich), das rund 5.400 bis 5.700 Jahre alt ist und somit aus der Zeit der Gletschermumie "Ötzi" stammt.

Durch die Altersbestimmung erhielten sie auch ein genaues Bild der Zu− und Abnahme des Höhleneises − also dessen Massenbilanz. "Wenn es große Alterssprünge von diesen Einschlüssen gibt, also etwa die Holzreste im Eis binnen weniger Zentimeter von unten nach oben um 200, 300 Jahre jünger wird, wissen wir, dass längere Zeit mehr Eis abgeschmolzen als dazugekommen ist", sagte Spötl. Das erlaubt einen Blick zurück in die Vergangenheit der Massenbilanz des Eises.

Die Auswertung zeigte, dass sich das Höhleneis ähnlich wie die Gletscher verhält: Historisch dokumentierte Gletschervorstöße wie etwa in der "Kleinen Eiszeit" zwischen etwa dem 15. und 19. Jahrhundert fallen zeitlich auch mit Zuwächsen der Eismasse in den Eishöhlen zusammen. Der Großteil des unterirdischen Eises in Österreich stammt auch aus dieser Zeit.

Und so wie bei den Gletschern ist auch die Massenbilanz der Eishöhlen in den vergangenen Jahrzehnten klar negativ. "Wir sehen eine Geschwindigkeit des Eisrückgangs, die in keiner Periode in unserem Messzeitraum der letzten 2.000 Jahre zu beobachten war", so Racine. Als Grund dafür nennen die Wissenschaftler den Klimawandel, wobei speziell die geringeren Niederschläge im Winter und der Trend zu wärmeren Wintern dem Höhleneis zusetzen.

Als Beispiel nennen die Forscher den Guffert−Eisschacht in Steinberg auf dem Rofan in Tirol, wo die Höhe des Schnee− und Eiskörpers in der Höhle allein zwischen 2019 und 2021 um fast drei Meter zurückging. Die Eisgruben−Eishöhle auf dem Sarstein in Oberösterreich hat innerhalb von 40 Jahren zehn Meter Eisdicke verloren, der Kraterschacht im Sengsengebirge (OÖ) 20 Meter in 20 Jahren. "Besonders für die mittleren und kleineren Eishöhlen müssen wir davon ausgehen, dass sie in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten massiv an Eismasse einbüßen oder sogar gänzlich eisfrei werden", sagte Racine.

Mit dem Höhleneis verschwindet auch ein wertvolles Klimaarchiv. Aus diesem Grund will Spötl gezielt Eisbohrkerne aus alpinen Eishöhlen entnehmen und diese gekühlt lagern, um die darin gespeicherte Klimainformation langfristig für die Wissenschaft zu bewahren. "Das ist eine Vision, für die noch das Budget fehlt. Es wird ein Wettlauf mit der Zeit."

Quelle:
https://tirol.orf.at/stories/3172695/
(abgerufen am 11.09.2022)