Wolkenaufhellung


Es klingt nach Science−Fiction, aber die künstliche Aufhellung von Wolken lässt die Temperaturen in der Region darunter tatsächlich sinken. Die Methode könnte im Kampf gegen die globale Klimaerwärmung helfen. Laut einer soeben veröffentlichten Beurteilung sind mit ihr aber auch Risiken verbunden, die bisher kaum erforscht sind.

Mit Hilfe von Maschinen, die Schneekanonen ähneln, werden im Rahmen der marinen Wolkenaufhellung Salzpartikel von der Meeresoberfläche aufgewirbelt und nach oben geschleudert. Dort fängt sie der Wind auf und transportiert sie in höher gelegene Wolkenschichten.

In einer Wolke angekommen bindet sich schließlich Wasser an das Salz, was zu einer höheren Partikelkonzentration und viel kleineren Wolkentropfen führt. "Die sind effektiver bei der Streuung des Lichts und reflektieren mehr von den eintreffenden Sonnenstrahlen", erklärt Atmosphärenphysikerin Anna Possner von der Goethe−Universität Frankfurt gegenüber science.ORF.at. Die Folge ist, dass die Temperaturen unter der Wolke sinken.

Das Salz bleibt für wenige Tage in der Wolke, bis es beim nächsten Regen wieder ins Meer gelangt. Das mache den Einsatz der Salzpartikel für die Umwelt auch recht unbedenklich, denn "im Meer und in den naheliegenden Küstenregionen kommt Salz sowieso in sehr viel größeren Mengen auf natürliche Weise vor", so Possner.

Ob das in die Wolken gebrachte Salz hingegen Schaden anrichten könnte, wenn es nicht über dem Meer, sondern über Land niederregnet, ist jedoch kaum erforscht. Laut Possner ist das aber kein wirklicher Grund zur Sorge, denn das Verfahren soll in erster Linie über dem Meer zum Einsatz kommen und Landmassen nicht beeinflussen. Über dem Meer sei die Wirkung potenziell am größten, denn der flache und dunkle Ozean würde dort ansonsten sehr viel Sonnenenergie absorbieren.

Dass die marine Wolkenaufhellung grundsätzlich funktioniert, wurde in ein paar wenigen Untersuchungen bereits bewiesen. Unter anderem wurde das Verfahren in Australien im Bereich des Great Barrier Reefs getestet. "Bei diesen kleinskaligen Feldstudien hat sich gezeigt, dass die Partikel tatsächlich in die Wolken hochgemischt werden und sie reflektierender machen", so Possner.

Die bisherigen Untersuchungen zeigen laut ihr jedenfalls klar, dass das Verfahren vor allem auf regionaler Ebene wirksam ist. "Eventuell ergibt sich daraus die Möglichkeit, relativ lokal und kleinteilig gegen zu starke Temperaturanstiege vorzugehen, ohne dabei irgendwelche ungewollten Nebeneffekte auszulösen."

Die eventuell möglichen Nebeneffekte der marinen Wolkenaufhellung lassen bei der Atmosphärenphysikerin dennoch die "Alarmglocken läuten", wie sie gegenüber science.ORF.at klarstellt. Vor allem, wenn es darum geht, das Verfahren für den weltweiten Einsatz auszuweiten. "Es gibt hier einfach noch ganz viele Unklarheiten, die bis jetzt noch nie genau untersucht wurden."

Unklar sei etwa, wie sehr sich das künstliche Verändern der Wolkenstruktur auf andere Regionen auswirkt, die nicht direkt im Anwendungsbereich liegen. Laut der Expertin könnte es dort aufgrund der meist eng miteinander in Verbindung stehenden Wetter− und Windeigenschaften sogar zum gegenteiligen Effekt kommen. "Ein paar bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Abkühlung nicht gleichmäßig verteilt. Das heißt, dass es insgesamt zwar kühler wird, aber in manchen Regionen könnte es durchaus auch wärmer werden."

Der Grund dafür liege in physikalischen Phänomenen: Die Abkühlung sorgt für veränderte Luftdruckgebiete. Als Ausgleichsbewegung zur Kälte fließt dann warme Luft in andere Regionen und lässt dort die Temperaturen steigen. Als Vergleich nennt Possner das Klimaphänomen "La Nina", das als Gegenstück zum bekannteren "El Nino" auftritt. Auch dabei sinkt die Temperatur in den meisten Gebieten der Welt − in bestimmten Regionen sorgt "La Nina" aber für Hitzewellen.

Unklar sei außerdem, ob das Verfahren Extremwetterereignisse in bestimmten Gebieten verstärken könnte. "Das alles muss vor einem weltweiten Einsatz natürlich noch genau geklärt werden", so die Atmosphärenphysikerin.

Zu diesem Zweck wird es in den USA ein umfangreiches Forschungsprojekt geben, in dem sich Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt mit dem Potenzial, aber auch den vielen Risiken des marinen Wolkenaufhellens auseinandersetzen. Den inoffiziellen Auftakt für das langjährige Projekt bildete ein internationaler Workshop im Jahr 2022. Daraus entstand auch eine Beurteilung des aktuellen Kenntnisstands und der noch zu klärenden Fragen, die vor Kurzem im Fachjournal "Science Advances" publiziert wurde.

Auch Possner war an der Arbeit beteiligt. Die wichtigsten Kernaussagen daraus sind für sie klar: "Es wird nicht gehen, ohne umfangreiche Feldexperimente. Wir haben einfach zu große Unsicherheiten in den bisherigen Modellen, um uns allein auf diese Daten verlassen zu können." Und: "Wir brauchen einen Forschungsansatz, in den von Anfang an alle Bereiche miteinfließen, die von der marinen Wolkenaufhellung beeinflusst werden könnten." Vorerst sei das Thema erst aus physikalischer und klimatologischer Sicht betrachtet worden − soziale, ethische und politische Aspekte wurden dabei noch nicht berücksichtigt.

Wann die marine Wolkenaufhellung tatsächlich auf globaler Ebene zum Einsatz kommen wird, kann Possner derzeit noch nicht abschätzen. Sie hofft aber, dass es schon in den kommenden fünf Jahren zu umfangreichen Feldexperimenten und neuen Erkenntnissen kommt, denn "sonst wird der Druck durch die fortschreitende anthropogene Klimaerwärmung so groß, dass man dann irgendwann ganz schnell handeln muss". Schon davor genau zu wissen, welche Folgen und Nebeneffekte die großflächige Aufhellung der marinen Wolken mit sich bringt, sei deshalb unabdingbar.

Quelle:
https://science.orf.at/stories/3224208/
(abgerufen am 27.03.2024)