Nachhaltige Trennung


Wenn elektronische Geräte defekt sind, landen sie schnell im Müll und werden kaum recycelt. Das wollen Forscherinnen und Forscher der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien ändern. Sie entwickelten ein Verfahren, das die verschiedenen Metalle im Elektroschrott kostengünstig und nachhaltig trennt. Möglich ist das mit Hefe, die beim Bierbrauen übrig bleibt.

Jedes Jahr landen mehr elektronische Geräte im Müll. Der jährlich entstehende Elektroschrottberg war schon vor drei Jahren mit mehr als 57 Millionen Tonnen schwerer als die Chinesische Mauer. Schätzungen zufolge könnten bis 2030 weltweit sogar mehr als 70 Millionen Tonnen Elektroschrott pro Jahr anfallen.

Umso wichtiger ist es laut Experten und Umweltschutzorganisationen, Elektroschrott richtig zu recyceln und die darin verbauten Materialien wiederzuverwerten. Bei defekten Elektrogeräten ist das aber alles andere als einfach. "Das liegt vor allem an der Komplexität dieses Schrotts", so der Biotechnologe Klemens Kremser von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Tulln gegenüber science.ORF.at.

Egal ob Mobiltelefone, Haushaltsgeräte oder Teile des elektronischen Straßenverkehrs − fast immer handelt es sich um Produkte, die viele unterschiedliche Metalle und Kunststoffe enthalten. Für die Wirtschaft sind dabei aber vor allem die recht kostspieligen und oft nur begrenzt verfügbaren Metalle interessant. Aluminium, Kupfer, Kobalt, Nickel und Zink sind nur ein paar der Beispiele, für die sich das Recyceln laut Kremser auch finanziell lohnt.

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"Wie gut das Herausfiltern einzelner Metalle funktioniert, hängt derzeit vor allem davon ab, wie gut man sie schon vorab von den anderen Materialien trennen kann", erklärt der Biotechnologe. Je mehr unterschiedliche Metalle in einem Produkt enthalten sind und je komplexer die Materialmischung ist, desto komplizierter sei auch das Recycling. "Das führt dazu, dass ein Großteil des weltweiten Elektroschrotts entweder gar nicht wiederverwertet oder einfach in andere Länder exportiert wird", so Kremser. Dort wird der Schrott dann oft unter widrigen Arbeits− und Schutzbedingungen und häufig sogar von Kindern in Einzelteile zerlegt.

Kremser suchte daher mit einem Forschungsteam um die Doktorandin Anna Sieber, die auch am K1−MET−Kompetenzzentrum in Linz tätig ist, nach einer möglichst nachhaltigen Methode, Elektroschrott zu recyceln. Besonders vielversprechend erschien den Forscherinnen und Forschern dabei der Prozess der Biosorption, bei dem sich unter bestimmten Bedingungen Metalle an der Oberfläche von biologischem Material sammeln können.

Dafür nutzen sie Bierhefe. Dabei handelt es sich grundsätzlich um recht gewöhnlichen Germ, der aber beim Brauprozess übrigbleibt. "Dieses Nebenprodukt wird zum Teil genutzt, etwa als Tiernahrungsergänzung, aber es wird nicht alles davon verwendet", so Kremser. Die Forscherinnen und Forscher reinigten und trockneten die Hefe schließlich für die anschließenden Versuche.

Für die Untersuchung klar von Vorteil war laut Kremser, dass Hefe wegen ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bereits umfangreich erforscht ist. "Dadurch weiß man auch, dass an der Oberfläche von diesen Hefezellen reaktive Gruppen sind. In unserem Fall sind das negativ geladene Zellgruppen, die positive Metallionen anziehen", so der Biotechnologe.

In einer im Fachjournal "Frontiers in Bioengineering and Biotechnology" erschienenen Studie gelang es den Forscherinnen und Forschern tatsächlich, mit der Hefe bestimmte Metalle aus einer zuvor damit angereicherten Lösung zu ziehen.

Sie schafften es auch, einzelne Metalle aus einer Mischung von Kupfer, Zink, Nickel und Aluminium zu extrahieren. Durch eine Änderung des pH−Werts in der Lösung konnte das Team entscheiden, welches Metall an der Hefe haften sollte. "Wir haben schließlich Effizienzen von zum Beispiel rund 70 Prozent Aluminium und bis zu 70 Prozent Kupfer erzielt, die wir aus unserer Lösung herausholen konnten", so Kremser. Mit weiteren Untersuchungen und genaueren Einstellungen des pH−Werts sei es durchaus auch möglich, mehr als 90 Prozent der in einer Lösung enthaltenen Metalle schrittweise herauszufiltern.

Da Bierhefe in großen Mengen verfügbar ist, ist ihr Einsatz kostengünstig und das Verfahren aus Österreich nutzt ein Nebenprodukt der Industrie, das sonst vielleicht zu großen Teilen auf dem Müll landen würde. Außerdem handelt es sich bei der Hefe um einen komplett ungefährlichen Organismus, der keine Gesundheitsrisiken mit sich bringt.

Bakterien, Algen oder Biokohle kommen in ähnlichen Verfahren bereits beim Recycling von Elektroschrott zum Einsatz. Bisherige Methoden haben aber meist den ein oder anderen Schwachpunkt. Im Vergleich mit der Bierhefe hat etwa Biokohle das Problem, dass sie sich nicht so leicht vom Metall trennen lässt.

Das macht den österreichischen Ansatz nachhaltiger, denn ein weiterer großer Vorteil der Hefezellen ist, dass die Bindung zu den Metallionen reversibel ist. Nachdem sich bestimmte Metallionen auf der Hefe angereichert hatten, holte sie das Forschungsteam aus der Lösung und unterbrach die Verbindung in einer Flüssigkeit mit anderem pH−Wert. Die Hefezellen konnten so mehrmals auf dieselbe Art verwendet und gereinigt werden. "Wir haben sie im Rahmen der Studie fünf Mal genutzt, um aus unserer Lösung Metalle zu gewinnen", so Kremser.

Die Metalle sind dann in reiner Form für den nochmaligen Einsatz in der Industrie bereit − zumindest theoretisch, denn noch wurde das Verfahren aus Österreich erst im Labor getestet. In realem Elektroschrott seien zudem meist mehr als vier verschiedene Metalle enthalten, meint Kremser, und das auch in Kombination mit anderen Materialien.

Der Prozess des Forschungsteams müsse daher erst noch weiterentwickelt und schrittweise skaliert werden, bis er sich auf internationaler Ebene etablieren kann. Bis es so weit ist, wird es laut dem Biotechnologen noch ein paar Jahre dauern.

Quelle:
https://science.orf.at/stories/3224029/
(abgerufen am 17.03.2024)