Zugefroren


Eisberge am Bosporus und ein zugefrorenes Schwarzes Meer − was heutzutage unvorstellbar klingt, war vor rund 1.200 Jahren Realität. Denn Vulkanausbrüche auf Island führten im Frühmittelalter zu einem ungewöhnlich kalten Winter. Das zeigt eine internationale Studie der Universität Bern mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Im Jahr 763 erlebte die Region um Konstantinopel, das heutige Istanbul, einen der kältesten Winter. So kalt, dass sogar Teile des Schwarzen Meeres nur noch eine Eisfläche waren und Eisberge am Bosporus gesichtet wurden. Davon berichteten historische Aufzeichnungen.

Die Studie der Universität Bern mit Beteiligung der ÖAW zeigt nun, dass diese extreme Kälte durch Vulkanausbrüche auf Island ausgelöst wurde. Bisher ging man davon aus, dass es in dieser Zeit eine vulkanische Ruhephase gab. Doch die neue Studie widerspricht dieser Annahme.

Dazu analysierten die Forschenden Kryptotephra, mit dem Auge nicht sichtbare Spuren von Vulkanasche. Zudem nutzten sie hochauflösende Schwefelisotopenanalysen und andere chemische Indikatoren für Vulkanausbrüche von vielen Eiskernen aus Grönland. Das sollte dazu dienen, die vulkanische Aktivität und die Konzentration klimawirksamer Schwefelaerosole im Zeitraum von 700 bis 1.000 n. Chr. zu bestimmen.

Heraus kam, dass eine längere Episode vulkanischer Schwefeldioxidemissionen zwischen 751 und 940 n. Chr. vor allem auf die Vulkanausbrüche auf Island zurückzuführen ist. Diese Serie begann mit den Ausbrüchen des Vulkans Katla zwischen 751 und 763. Diese waren so stark, dass sie sich teilweise bis in die Stratosphäre, also in eine Höhe von 15 bis 50 Kilometern, erstreckten und mit dem ungewöhnlich kalten Winter in Europa zusammenfielen.

Mit Hilfe von Isotopendaten aus Tropfsteinhöhlen wie zum Beispiel der Spannagelhöhle in den Zillertaler Alpen und mit historischen Quellen von Irland bis zum Mittelmeer konnte man diese Kältezeiten rekonstruieren.

Der Einfluss dieser historischen Klimaveränderung wirkte sich auch stark auf die frühmittelalterliche Gesellschaft aus. "In den historischen Quellen wird nicht nur beschrieben, dass es sehr kalt war, sondern, dass die extremen Temperaturen Tiere sterben und Feldfrüchte erfrieren ließen. Die Menschen litten nicht nur unmittelbar Not, sondern waren auf verschiedenen Ebenen tief erschüttert", erzählt der an der Studie beteiligte Byzanzforscher Johannes Preiser−Kapeller vom Institut der Mittelalterforschung der ÖAW.

Als zusätzlich auch noch ein Meteorschauer im März 764 am Himmel zu sehen war, dachten viele Menschen, dass das Ende der Welt gekommen sei. Das wirkte sich auch auf die politische Lage im damaligen Byzantinischen Reich aus. Denn dort war es eine Zeit innerer Konflikte, die auch als "Bilderstreit" in die Geschichte einging. "Man stritt darum, wie man das Göttliche richtig verehrt. Aus Sicht eines Bilderverehrers war der Kaiser schuld, weil er verbot, die Heiligen angemessen zu verehren. Die Krise wurde also politisch instrumentalisiert und als Strafe Gottes interpretiert", so Preiser−Kapeller.

Generell zeigt die Studie aber auch: In bisherigen Schätzungen zur Rekonstruktion des Klimas wird der bedeutende Beitrag anhaltender vulkanischer Sulfatemissionen zur vorindustriellen atmosphärischen Aerosolbelastung kaum berücksichtigt. Deshalb ist weitere Forschung wichtig, um die Klimarückkopplungen der Vulkanausbrüche in Vergangenheit und Gegenwart besser zu verstehen.

Quelle:
https://science.orf.at/stories/3224648/
(abgerufen am 22.04.2024)