V b - Wetterlage


Die geographische Lage von Hoch- und Tiefdruckgebieten, den bedeutendsten Steuerungszentren des Wettergeschehens, wird in der Meteorologie als "Wetterlage" oder "Großwetterlage" bezeichnet.
Unter einer Großwetterlage versteht man im Allgemeinen Wetterlagen über einem Großraum - mindestens von der Größe Europas -, die sich während eines mehrtägigen Zeitraumes (in der Regel mindestens 3 Tage) nicht wesentlich verändern.

Eine Großwetterlage ist also ein bestimmter atmosphärischer Zustand, der in seiner charakteristischen Strömungsanordnung über mehrere Tage weitgehend gleich bleibt.
Im Laufe einer bestimmten Großwetterlage kann sich das Wetter selbst ändern, während der Charakter der jeweiligen regionalen Witterung erhalten bleibt. Der Begriff "Wetter" bezieht sich dabei auf das augenblickliche Wettergeschehen, der Begriff "Witterung" umfaßt dagegen das Wettergeschehen mehrerer Tage.
Während einer Großwetterlage ändern sich somit die Zugbahnen der Hoch- und Tiefdruckgebiete nur wenig.

Für Europa lassen sich zahlreiche verschiedene Großwetterlagen unterscheiden und es gibt auch verschiedene Systematiken.

Bereits 1891 hat der deutsche Meteorologe Wilhelm Jacob van Bebber ein grundlegendes Schema von typischen Zugstraßen der barometrischen Minima, das er in fünf Gruppen einteilte:

I vom Atlantik nordostwärts über die nördlichen Britischen Inseln
  a nach Nordskandinavien
  b weiter nach Südosten
  c weiter nach Osten
  d weiter nach Nordosten
II vom Nordatlantik ostwärts über Zentral- und Südskandinavien nach Nordosteuropa
III vom Nordatlantik südostwärts über Südskandinavien nach Zentralosteuropa
IV vom Mittelatlantik nordostwärts
  a über die südlichen Britischen Inseln und Südskandinavien nach Nordosteuropa
  b über Nord-Mitteleuropa nach Nordosteuropa
V vom Mittelatlantik
  a südostwärts über Biskaya in den Mittelmeerraum
  b weiter nach Nordosten
  c weiter nach Osten
  d weiter nach Südosten

Die römische Ziffer V kennzeichnet das Entstehungszentrum des Tiefs über dem westlichen Mittelmeer. Zusätzlich wird beispielsweise zwischen Zyklonen, die über Frankreich und Spanien nach Norden ziehen (V a) und Zyklonen, welche nach Osten in Richtung Balkan weiterziehen (V c), unterschieden.

Die österreichische Meteorologie (Geosphere Austria) berücksichtigt neben dem Atlantischen Klima auch das Pannonische Klima, das Mittelmeerklima mit dem Subtypus des Illyrischen Klimas (Stichwort: Österreichische Klimaprovinzen) sowie Aktionszentren von der Sahara bis in den Schwarzmeerraum.

Der Name der "V b"-Wetterlage nimmt eine Sonderstellung ein, denn sie die einzige, die nach ihrer Zugbahn benannt ist.

Eine "V b"-Wetterlage ist durch die Zugbahn eines Tiefdruckgebietes, das vom Nordwesten Italiens (Genua) über die Poebene oder die nördliche Adria, Friaul und Slowenien und weiter nordostwärts über Österreich und Ungarn bis nach Polen zieht, gekennzeichnet.

Ein "typisches" "V b"-Tief entsteht bei tendenziell südweisender Frontalzone durch einen Kaltluftvorstoß über Frankreich ins westliche Mittelmeer - häufig in Verbindung mit einer Nordwestwetterlage, die zur Bildung eines Tiefs im Golf von Genua (Genua-Tief) führt -, oder durch einen von England oder der Biskaya (Biscayatief) über Frankreich südwärts geschobenen Tiefkern (Zugbahn V a), der südlich der Alpen weiterzieht.

Liegt der Aktionskern über dem Mittelmeerraum, gleiten die feuchtwarmen Luftmassen auf der (östlichen) Vorderseite des Tiefdruckgebiets auf die in Mitteleuropa lagernde bodennahe Kaltluft auf (Aufgleiten von Südost).
In den höheren Schichten gleitet warme und sehr feuchte Mittelmeerluft auf der Rückseites des Tiefs aus südwestlichen Richtungen über die Kaltluft auf.
An der Grenze dieser beiden Luftmassen kommt es oft zu teils langanhaltenden stärkeren Niederschlägen in der Südosthälfte Deutschlands, in Tschechien, Polen sowie in Teilen Österreichs und Oberitaliens.
Diese werden durch den Stau der Luftmassen an Gebirgen (Alpen, Erzgebirge) noch verstärkt.

Im nördlichen Alpenbereich treten manchmal in den unteren Luftschichten auch Winde mit nördlicher Komponente, die feuchte Kaltluft gegen die Alpen führen und zu Stauerscheinungen führen, auf. Diese Stauniederschläge können starkes Hochwasser bzw. im Winter extreme Schneemengen mit Lawinengefahr verursachen.

"V b"-Wetterlagen treten meist im Frühjahr und Herbst auf, können aber grundsätzlich zu jeder Jahreszeit vorkommen und gehören zu den eher selteneren Großwetterlagen Europas.
Allerdings verursachen sie nicht selten hohe Schäden. Die Wettersituation bleibt manchmal über mehrere Wochen annähernd konstant, sodaß mitunter ganze "Familien" von Genua-Tiefs mit wiederholt andauernden Niederschlägen auftreten können. Im Falle einer bereits vorhandenen Bodensättigung führt dies zu einer ganzen Serie von Hochwasserereignissen bzw. im Winter zu einem Anstieg der Schneehöhen und der Lawinen.

Auch ein Genua-Tief entsteht durch das Einfließen von Kaltluftmassen in den westlichen Mittelmeerraum. Und auch ein Genua-Tief kann etwas weiter nach Norden und Nordosten ziehen und dabei über dem zentralen und östlichen Mitteleuropa durch das Aufgleiten von feuchtwarmer Luft aus dem Mittelmeerraum auf nördlich der Alpen liegende Kaltluft für sehr ergiebige und länger anhaltende Niederschläge sorgen.
Im Unterschied zur "V b"-Wetterlage, deren Niederschläge bis ins Baltikum reichen können, beschränkt sich allerdings beim Genua-Tief das Wettergeschehen auf Mitteleuropa.