Gegenpol


Die BRICS−Gruppe wichtiger Schwellenländer wird um sechs Länder erweitert. Saudi−Arabien, der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Argentinien, Ägypten und Äthiopien werden mit 1. Jänner 2024 aufgenommen, wie der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa am Donnerstag beim Gipfel der Allianz in Johannesburg ankündigte. Südafrika hat derzeit den Vorsitz des Staatenbundes inne, dem bisher außerdem Brasilien, Russland, Indien und China angehören. Ziel der Allianz ist es, einen Gegenpol zur Dominanz des Westens zu bilden.

Mit der Aufnahme der neuen Mitglieder entwickelt sich die Gruppe zu "BRICS plus". Auf die Erweiterung drängten besonders China und Russland, denen ein Gegenpol zur geopolitischen und wirtschaftlichen Dominanz des Westens ein Anliegen ist. Brasilien lehnt dagegen eine Frontstellung etwa zu dem G−7−Bündnis der wichtigsten westlichen Industrieländer ab.

Der derzeitige BRICS−Block − bestehend aus fünf Staaten − macht eigenen Angaben zufolge etwa 42 Prozent der Weltbevölkerung, 30 Prozent der globalen Landfläche und 24 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung aus. Die Erweiterung sei "historisch" und werde der Kooperation der Gruppe neue Impulse verleihen, sagte der chinesische Präsident Xi Jinping beim Gipfel in Johannesburg, der am Donnerstag endet. Die BRICS−Staaten hätten einen wichtigen globalen Einfluss und eine große Verantwortung.

Gegenpol 01

Die BRICS−Gruppe ist allerdings heterogen. Schon die bisherigen fünf Mitglieder sind in vielen Fragen unterschiedlicher Auffassung. So streiten die Milliardenvölker Indien und China etwa über ungelöste Grenzfragen. Trotz der Differenzen äußerten die Staats− und Regierungschefs der BRICS−Länder jedoch die gemeinsame Überzeugung, dass das internationale System von westlichen Staaten und Institutionen dominiert werde und nicht den Interessen von Entwicklungsländern diene.

Aus den für die Erweiterung von der BRICS−Gruppe benannten Staaten kamen erfreute Reaktionen. Ägypten etwa freue sich darauf, "die Stimme der Länder des Südens zu erheben", um die Rechte und Interessen der Entwicklungsländer zu unterstützen, sagte der ägyptische Präsident Abdel Fattah al−Sisi in Anlehnung an die Aufnahme seines Landes in die Allianz.

Der iranische Präsidentenberater Mohammad Dschamschidi nannte den Schritt in Twitter (X) eine "historische Entwicklung" und einen "strategischen Erfolg" für die Außenpolitik Teherans. Auch die VAE begrüßten ihre geplante Aufnahme. Präsident Mohammed bin Sadsched al−Nahdschan teilte mit, er respektiere "die Vision" der Staats− und Regierungschefs der BRICS−Länder. Der saudische Prinz Faisal bin Farhan sagte, er freue sich darauf, "die Zusammenarbeit auszubauen und neue Entwicklungs− und Wirtschaftsmöglichkeiten zu schaffen".

Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed bezeichnete die Einladung als einen "großen Moment" für sein Land. Äthiopien sei bereit, mit allen für eine inklusive und florierende globale Ordnung zusammenzuarbeiten. Der argentinische Präsident Alberto Fernandez meinte in einer veröffentlichten Videobotschaft, mit der Aufnahme in die BRICS−Gruppe würden sich "neue Chancen für Argentinien eröffnen".

Formal werden die sechs neuen Mitgliedsländer am 1. Jänner 2024 der Allianz beitreten. Nach Angaben der südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor haben zudem etwa 40 weitere Staaten mehr oder weniger verbindlich Interesse an einer BRICS−Mitgliedschaft bekundet, über 20 davon konkret. Zu diesem Kreis zählen Algerien, Kuwait, Bangladesch, Venezuela und Thailand. Die Beitrittskriterien dafür wurden noch nicht öffentlich verkündet.

Das Interesse anderer Länder an einer Mitgliedschaft zeige, wie wichtig deren Streben nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung sei, sagte der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva. Die BRICS−Länder möchten zudem ihre Abhängigkeit vom US−Dollar als globaler Leitwährung reduzieren.

Gegenpol 02

Dazu verabschiedeten sie eine Resolution, um die Schaffung einer neuen Zahlungswährung zu prüfen. Vor allem Lula hatte sich dafür eingesetzt, Geschäfte zwischen den BRICS−Ländern nicht mehr in Dollar abzuwickeln.

Russlands Präsident Wladimir Putin, der wegen eines internationalen Haftbefehls gegen ihn nicht zum Gipfel gereist war, dankte Ramaphosa für dessen Einsatz für eine Erweiterung. Er bezeichnete die Erweiterung der Allianz als "nicht einfach", aber Ramaphosa habe als Gastgeber eine "erstaunliche diplomatische Kunst" bewiesen, um alle Positionen in Einklang zu bringen.

Den Gipfel nutzten Putin und sein in Johannesburg anwesender Außenminister Sergej Lawrow außerdem, um zu zeigen, dass Russland trotz des Drucks und der Sanktionen des Westens auf internationaler Bühne weiter Entscheidungen trifft. Vor genau 18 Monaten − am 24. Februar 2022 − begann Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Neben Vertretenden von über 30 Ländern waren auch 67 Führungspersönlichkeiten aus Afrika und dem Globalen Süden zu Rahmenveranstaltungen wie dem "BRICS−Plus−Dialog" und dem "BRICS−Africa−Outreach" geladen. Dazu kamen etliche Spitzenvertretende von internationalen Organisationen − unter anderen UNO−Chef Antonio Guterres. Er sagte, dass die "heutigen Strukturen der Weltordnungspolitik die Welt von gestern widerspiegeln" und dass "die multilateralen Institutionen reformiert werden müssten".

Eine Neugestaltung der heutigen veralteten, dysfunktionalen und ungerechten globalen Finanzarchitektur sei unerlässlich, warnte der UNO−Generalsekretär. "Das erfordert den Mut zum Kompromiss" und zu Reformen, sagte er weiter. Es sei eine gravierende Ungerechtigkeit, dass afrikanische Länder im Schnitt viermal mehr für Kredite zahlten als die USA und achtmal mehr als die reichsten europäischen Länder, so Guterres und forderte die Entwicklung eines wirksamen Schuldentilgungsmechanismus.

Der Präsident der Komoren, Azali Assoumani, der derzeit den Vorsitz der Afrikanischen Union (AU) innehat, sagte, dass die BRICS−Gruppe den afrikanischen Ländern dabei helfen könne, im Bereich der Ernährungssicherheit unabhängig zu werden.

Quelle:
https://orf.at/stories/3328636/
(abgerufen am 25.08.2023)