Veränderung


Im Anthropozän nimmt der Mensch nicht nur Einfluss auf die Atmosphäre, das Klima und das Leben auf der Erde. Durch die Klimaerhitzung verändern sich auch die Erde und ihre Oberfläche: Felsstürze, Erdrutsche und Geländeabsenkungen führen zu einer anderen Topografie, und der veränderte Umgang mit dem Wasser kann die Pole verschieben und die Rotationsgeschwindigkeit der Erde beeinflussen

Der Mensch verändert gerne die Erdoberfläche: Berge werden abgetragen, Flüsse begradigt und Staudämme errichtet. Doch er greift auch indirekt über die steigenden Temperaturen in der Klimakrise ein. Auf diese Weise folgte allein in Österreich in diesem Sommer gleich zweimal ein Berg der Schwerkraft in Richtung Talboden: Rund eine Million Kubikmeter Material verloren das Fluchthorn in Tirol durch einen Bergsturz und der Simonberg in Kärnten durch einen Erdrutsch. Die Auslöser waren unterschiedlich, die Ursachen liegen in beiden Fällen aber auch in der Klimakrise.

Dass der Südgipfel des Fluchthorns im Juni 19 Höhenmeter verloren hat, liegt sehr wahrscheinlich auch an tektonischen Verschiebungen, also nicht spürbaren Bewegungen der Erdplatten, erklärt der Geomorphologe Ingo Hartmeyer von Georesearch, einem außeruniversitären Forschungsinstitut in Salzburg: "Es deutet aber vieles darauf hin, dass Wasser aus der Permafrostschmelze eine wichtige Rolle gespielt haben könnte." Mangels Messdaten lässt sich das im Nachhinein nicht mit Sicherheit sagen.

Fakt ist aber: Felsstürze − in größerem Ausmaß spricht man von Bergstürzen − nehmen dort zu, wo der Permafrost auftaut. Hartmeyer erklärt: "Felspermafrost wird auch als Kitt der Alpen bezeichnet, weil er eine stabilisierende Wirkung auf den Untergrund hat." Steigende Temperaturen führen dazu, dass seit Jahrtausenden gefrorener Permafrost auftaut und dadurch Material locker wird, sagt der Geomorphologe: "Die Temperatursteigerung kommt erst mit einer gewissen Verzögerung in der Tiefe an. Das heißt, ein heißer Sommer muss sich nicht sofort in einer erhöhten Massenbewegungsaktivität manifestieren, aber er kann mittelfristig zu einer Destabilisierung und damit zu Felsstürzen führen."

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In den Hohen Tauern, wo Hartmeyer seit 13 Jahren Untersuchungen durchführt, lässt sich das beispielsweise im Stubachtal beobachten, wo sich Felsstürze im Bereich zwischen 2.600 und 2.900 Höhenmetern häufen, weil dort die Auftauschicht des Permafrosts im Sommer besonders tief in den Berg hineinreicht. Untersucht wird das an einer Nordwand − auf den Südhängen sind die Hohen Tauern bis in Höhen von 3.000 Metern ohnehin schon permafrostfrei.

Ist der Permafrost einmal ausgeschmolzen, erklärt der Geomorphologe, dann sinkt die Gefahr von Felsstürzen auch wieder − bis dahin werden sie aber noch häufiger vorkommen. Ebenso führt das Verschwinden der Gletscher dazu, dass das Gelände unter dem schmelzenden Eis instabiler wird. An Warnsystemen, die ähnlich wie Lawinenwarnungen die Wahrscheinlichkeit von Felsstürzen einschätzen können, wird in der Forschung gearbeitet, praxistauglich sind sie aber noch nicht.

Der Erdrutsch auf dem Simonberg in der Gemeinde Globasnitz/Globasnica in Südkärnten hatte eine andere Ursache: Er wurde durch Starkregen ausgelöst − wie Hunderte weitere kleinere Hangrutschungen während der extremen Unwetter im August. Hangrutschungen entstehen, wenn große Wassermengen in die Erde eindringen und das Material unterirdisch lockern und so zum Abgleiten bringen.

Die Klimakrise wirkt sich auf die Erdoberfläche vor allem über den Wasserkreislauf aus, erklärt der Erdsystemforscher Ulrich Pöschl vom Max−Planck−Institut für Chemie: "Wenn die Luft wärmer ist, kann die Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen und auch wieder abgeben − pro Grad Celsius um etwa sieben Prozent mehr." Je nach meteorologischen Bedingungen können die erhöhten Temperaturen zu Starkregenereignissen und Überschwemmungen oder zu Dürre und Austrocknung des Bodens führen, so Pöschl: "Dadurch wird auch die Vegetation als stabilisierende Biokruste geschwächt." Denn Gebüsch beispielsweise schützt vor Wind, und Baumwurzeln stabilisieren den Boden. Bodenerosion sei die Folge, so Pöschl.

Nicht nur Berge können an Höhe verlieren: Durch sinkende Grundwasserspiegel kann sich der Boden absenken. Während das in Österreich nur im Millimeterbereich vorkommt, kann das laut der Wissensplattform Erde und Umwelt der deutschen Helmholtz−Institute bei großen Städten an Flussdeltas oder Küsten bis zu 30 Zentimeter im Jahr ausmachen. Verstärkt wird das Problem durch unterirdische Infrastruktur und das Gewicht von Gebäuden.

In Europa kämpfen etwa die Städte Rotterdam und St. Petersburg mit diesem Problem. International besonders betroffen ist Schanghai, das bis zum Ende des Jahrhunderts bis zu zwei Meter an Boden verlieren könnte. Für die Stadt könnte das damit zum größeren Problem werden als die geschätzten 43 Zentimeter Meeresspiegelanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts.

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Schwere Überflutungen sind die Folge. Die sind beispielsweise schon in Jakarta Realität, wo sich manche Stellen innerhalb von 15 Jahren um ganze zwei Meter abgesenkt haben. Besonders verheerend waren die Folgen der Geländeabsenkung in New Orleans, als der Hurrikan "Kathrina" 2005 80 Prozent des Stadtgebietes flutete. Die Stadt war zwar durch Dämme abgesichert, aber die wurden durch die Geländeabsenkung wirkungslos.

Laut den Helmholtz−Instituten könne das Problem nur durch ein Grundwassermanagement, das Entnahmestellen gezielt auswählt und die lokale Entnahme einschränkt, eingedämmt werden. Einzige langfristige Lösung sei aber die Begrenzung der globalen Erwärmung, sagt Erdsystemforscher Pöschl: "Jedes Zehntel Grad ist relevant, und da hilft nur CO2 einsparen durch weniger fossile Energie."

Der menschliche Umgang mit dem Wasser hat auch dazu geführt, dass sich der geografische Nordpol jährlich um vier Zentimeter verschiebt und sich die Drehung der Erde um die eigene Achse verlangsamt hat. Die gute Nachricht: Im Gegensatz zu den Veränderungen der Erdoberfläche hat das keinen relevanten Einfluss auf das Leben auf der Erde.

Quelle:
http://https://topos.orf.at/klima-erdkugel-veraenderung100
(abgerufen am 01.10.2023)