Neue Stadtbäume


Im Versuchsgarten der Höheren Bundeslehr− und Forschungsanstalt für Gartenbau in Schönbrunn wird Pionierarbeit geleistet. Neue Baumarten werden getestet und sollen Kastanie, Linde und Ahorn ersetzen.

Saftstrommesser, Feuchtigkeitsmesser, Dendrometer und Plastikrohre, die in die Tiefe führen, um endoskopisch Wurzeln vorbeiwachsen und Regenwürmer vorbeischlängeln zu sehen − im Versuchsgarten der Höheren Bundeslehr− und Forschungsanstalt für Gartenbau (HBLFA) in Wien−Schönbrunn hat man alles, um den Bäumen auf den Grund bzw. an die Wurzeln zu gehen. Die hier angelegte Anlage zur Untersuchung des Schwammstadt−Prinzips für Bäume stößt auf internationales Interesse.

"Wir leisten hier Pionierarbeit", sagen Thomas Roth und Stefan Schmidt in der Außenstelle Jägerhausgasse, ehe sie sich der bereits wartenden vielköpfigen finnischen Delegation zuwenden. "Wir haben die einzige derartige Lysimeter−Messeinrichtung in Europa." Die Anlage misst den Saftstrom im Baum, das pflanzenverfügbare Wasser im Boden, Versickerungsrate und Verdunstung und ermöglicht es, das Bodensickerwasser chemisch zu untersuchen.

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Seit 2019 wird hier erforscht, unter welchen Bedingungen Stadtbäume besser überleben − die Beschaffenheit des Untergrunds ist dabei von entscheidender Bedeutung. Eine Mischung aus Grobschlag, um die Verkehrslast aufzunehmen, und eingeschlämmtem Substrat, um optimales Wurzelwachstum und −versorgung zu ermöglichen, ist die Geheimwaffe in Zeiten zunehmender Versiegelung und Trockenperioden. "Das große Problem für die Baumwurzeln und damit für die Vitalität der Bäume ist die starke Verdichtung des Bodens", sagt Schmidt.

Stefan Schmidt ist Landschaftsplaner und Landschaftsarchitekt und ehemaliger Leiter der Abteilung Gartengestaltung an der HBLFA Schönbrunn, sein Kollege Thomas Roth leitet die Abteilung der Außenstelle Jägerhausgasse im Bereich Gehölzkunde und Baumschulwesen und hat auch die Forschungsagenden von Stefan Schmidt übernommen. Dass die beiden bei der Entwicklung für Strategien für eine künftige Stadtvegetation angesichts des rapide fortschreitenden Klimawandels eng zusammenarbeiten, wird rasch klar.

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Denn der ideale Untergrund, in dem möglichst alles Wasser verwertet werden kann, ist das eine, die passenden Bäume für die neuen Klimabedingungen zu finden, das andere. "Es wird künftig vielleicht nicht weniger Regen geben, aber er wird sich anders verteilen", sagt Schmidt. "Wir werden mehr Hitze und längere Trockenperioden erleben − und dennoch wird es ein kontinentales Klima mit Winterfrost bleiben."

"Die Stadtvegetation wird sich massiv ändern", prognostiziert Roth. "Es wird zukünftig ein völlig anderes Straßenbild geben. Die traditionellen Stadt−Baumarten werden uns wegbrechen. Das Sortiment muss sich ändern, von den schmalkronigen Bäumen hin zu den breitkronigen mit viel Überschattung. Heimische Linden, Kastanien−und Ahornbäume haben schon jetzt massive Probleme. Die werden wir zunehmend austauschen müssen."

Bei der Findung neuer Arten und Sorten für das künftige Wiener Stadtbild orientiert man sich an Bäumen, die sich in Südosteuropa bewährt haben, etwa in Ungarn, der Türkei oder in Aserbaidschan. Neue resistente Ulmensorten (das sogenannte Ulmensterben hat, ausgelöst durch einen Pilz, die Ulmenpopulation stark dezimiert) sind ebenso Hoffnungsträger wie der Zürgelbaum, der Lederhülsenbaum, der Japanische Schnurbaum oder der Geweihbaum.

Erst vor wenigen Wochen wurde eine neue Schwammstadtprinzip−Versuchsanlage angelegt. Hier werden die Klimabäume der Zukunft unter möglichst realen Straßenbedingungen getestet. Nebeneinander stehen hier ein Geweihbaum, eine Silberlinde, eine Ulme, eine schnell wachsende Erle und ein Felsen−Ahorn. Super−fit sehen sie allerdings nicht aus. "Die leiden alle noch unter dem Einpflanzschock", sagt Schmidt. Die für die Jahreszeit außergewöhnlich hohen Temperaturen sorgen für das Übrige: "Das ist für die Bäume Stress pur." Zwei bis drei Jahre werden sie in der Anwuchspflege normalerweise betreut und dann unter Beobachtung sich selbst überlassen.

Die Zeit, die das Wachsen von Bäumen braucht, und das Tempo, mit dem der Umbau der Stadtvegetation voranschreiten sollte, passen nicht zusammen. "Wann ist die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen ? Vor 20 Jahren. Die zweitbeste Zeit ist jetzt", zitieren die beiden Experten ein bekanntes chinesisches Sprichwort. Bis ein Baum als Ökosystemdienstleister seinen Beitrag leisten kann, braucht es seine Zeit. Zeit, die ihm die Politik nicht geben will.

Politiker wollen keine Jungbäume, die langsam anwachsen können, sondern große, deutliche Beweise ihrer Aktivitäten. "Sie brauchen ihren Eröffnungsbaum." Das könne aber auch ins Auge gehen: "Am Neuen Markt in Wien etwa kann man den Bäumen beim Sterben zuschauen."

Bei nachhaltigen Reformen sei die Politik dagegen säumig: So wird seit langem vergeblich die gesetzliche Voraussetzung urgiert, Dachwasser auf öffentlichem Grund zu versickern und für die Stadtbäume verfügbar zu machen. Auch ein klares Bekenntnis zu einer Umstellung des künftigen Baum−Sortiments der Stadtgärtner vermissen die Landschaftsplaner − weswegen Baumschulen häufig noch immer auf die alte Sortenpalette setzten. "Ein Umdenken auch bei den Baumschulen ist aber dringend notwendig !"

Im Versuchsgarten der HBLFA ist dieses Umdenken nicht nur spürbar, es trägt auch bereits Resultate. Die Indianerbananen (Paupau), Feigen, Chinesische Datteln und Kakipflaumen, die hier reifen und der Besucher kosten darf, riechen und schmecken köstlich. Solche Bäume werden künftig die heimischen Obstgärten bereichern. Denn die gute Nachricht lautet: "Es gibt auch Klimagewinner !"

Quelle:
https://wien.orf.at/stories/3227161/
(abgerufen am 07.10.2023)