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Methan und Kohlendioxid (CO2) zählen zu den Hauptursachen der Erderwärmung. Ein hochpräziser Sensor auf der Internationalen Raumstation (ISS) macht es nun möglich, die Quellen der klimaschädlichen Treibhausgase genauer denn je zu lokalisieren. Eine erste Analyse der größten "Klimasünder" liefert Überraschungen.

In Turkmenistan wird gemessen an seiner Größe besonders viel Methan ausgestoßen, in der autonomen chinesischen Region Xinjiang hingegen besonders große Mengen an CO2. Das sind zwei überraschende Ergebnisse der ersten Messungen eines Sensors der NASA, der sich seit rund eineinhalb Jahren auf der ISS befindet. Das Forschungsteam um Andrew Thorpe vom NASA−Strahlantriebslabor in Kalifornien (USA) hat die Aufnahmen untersucht, die der Sensor in seinen ersten dreißig Tagen im All anfertigte. Das Ergebnis präsentieren die Forscherinnen und Forscher aktuell im Fachjournal "Science Advances".

Die NASA−Mission EMIT (Earth Surface Mineral Dust Source Investigation) hat eigentlich das Ziel, Mineralstaub in der Erdatmosphäre zu dokumentieren, um dessen Auswirkungen auf das Klima zu untersuchen. Dafür ist ein hochpräzises Spektrometer nötig, das dazu in der Lage ist, detaillierte Bilder der Erde anzufertigen und darin verschiedene Wellenlängen des Lichts darzustellen und zu dokumentieren.

Da nicht nur Mineralstaub, sondern auch Treibhausgase in der Luft das Lichtspektrum beeinflussen, können Forscherinnen und Forscher mit dem Sensor unter anderem auch Methan− und CO2−Vorkommen entdecken. Vom All aus ist es so möglich, den Ursprung der Treibhausgase mit einer Genauigkeit von nur rund sechzig Metern zu bestimmen. "Der Sensor ist sehr viel genauer als jedes andere bisherige Instrument seiner Art", erklärt der Leiter der gesamten EMIT−Mission Robert Green gegenüber science.ORF.at.

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Andrew Thorpe leitet die Treibhausgasanalyse im Rahmen der EMIT−Mission. Schon allein anhand der Bilder aus den ersten dreißig Einsatztagen des Sensors konnte das Forschungsteam zahlreiche große Emissionsquellen auf mehreren Kontinenten lokalisieren. Viele davon stammen aus dem Öl− und Gassektor, aber auch über Mülldeponien und Kraftwerken sahen die Forscherinnen und Forscher große Mengen an Treibhausgasen.

Viele Daten deckten sich mit den Ergebnissen früherer Untersuchungen, zum Teil führte die Auswertung der Bilder aber auch zu Überraschungen. "Bei den Methan−Emissionen konnten wir ein Land entdecken, das für seine Größe unverhältnismäßig viele Methan−Quellen aufweist − und das war Turkmenistan", sagt Thorpe gegenüber science.ORF.at. Das Land sei dabei bisher der eindeutige Spitzenreiter im mittleren Osten und dem zentralasiatischen Raum.

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Das meiste Methan wird in Turkmenistan demnach im Öl− und Gassektor produziert. Mit Emissionsmengen von bis zu rund 730 bis 840 Tonnen Methan pro Stunde liegt das Land damit deutlich vor dem in der Region zweitplatzierten Kasachstan (rund 210 Tonnen Methan pro Stunde) und dem Iran (rund 90 bis 140 Tonnen Methan pro Stunde).

Bei Kohlendioxid konnte das Team ebenfalls mehrere große Emissionsquellen lokalisieren. Besonders auffallend waren dabei laut Thorpe Kohlekraftwerke in der autonomen chinesischen Region Xinjiang. Schon allein über einem einzigen Kraftwerk fanden die Forscherinnen und Forscher dort Emissionsmengen von rund 3.500 bis 4.050 Tonnen CO2 pro Stunde. Dabei handelt es sich um die größte CO2−Quelle, die der Sensor in seinen ersten dreißig Einsatztagen aufzeichnete.

Zu bedenken ist laut Thorpe dabei jedoch auch, dass in der aktuellen Studie noch nicht die gesamte Erdoberfläche analysiert werden konnte. "Das EMIT−Spektrometer braucht Zeit, um seine detaillierten Aufnahmen zu machen. In den ersten dreißig Tagen war es daher noch nicht möglich, den gesamten Planeten zu untersuchen", so der Experte. Die Studie sei daher nur ein kleiner Vorgeschmack auf die umfangreichen Ergebnisse, die der Sensor seit seiner Installation bereits sammeln konnte. Es sei daher durchaus auch möglich, dass die Forscherinnen und Forscher künftig noch größere Treibhausgas−Quellen entdecken.

Über die genauen Gründe und Ursachen für die zum Teil sehr großen Methan− und CO2−Emissionsmengen können Thorpe und Green derzeit nur spekulieren. Das Ziel der Analyse sei aber auch vielmehr, umfangreiche Informationen zu sammeln, die dann den jeweiligen Entscheidungsträgern dabei helfen, entsprechende Maßnahmen zu treffen. "Wir möchten die Informationen bereitstellen, die dann von anderen hoffentlich dazu genutzt werden, die Emissionsmengen in besonders betroffenen Gebieten zu senken", erklärt Green.

Zu diesem Zweck stellt das NASA−Team die gesammelten Daten auch kostenlos zur Verfügung. Auf der dafür geschaffenen Online−Plattform "Visions" können sich alle Interessierten über die Treibhausgasvorkommen kostenlos informieren. Mittlerweile sind darauf auch Informationen zu finden, die der Sensor nach seinen ersten dreißig Einsatztagen sammeln konnte − die Datenbank wird vom Forschungsteam laufend aktualisiert.

In naher Zukunft sind auch noch weitere NASA−Missionen zur Untersuchung der weltweiten Treibhausgasvorkommen geplant. Laut Green sollen dann noch genauere Sensoren zum Einsatz kommen, die unter anderem auf Satelliten angebracht werden. Ziel ist es, irgendwann möglichst alle Emissionsquellen auf der Erde auf wenige Meter genau lokalisieren und über längere Zeiträume hinweg beobachten zu können.

Quelle:
https://science.orf.at/stories/3222172/
(abgerufen am 18.11.2023)