Notfallmodus


In knapp einer Woche startet die Weltklimakonferenz in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Nimmt man das Paris−Ziel ernst, müsste man bei der Konferenz in einen "Notfallmodus" wechseln, sagt ein Klimaforscher im Interview. Denn die Lücke, die zwischen dem 1,5−Grad−Ziel und den Klimaschutzplänen der einzelnen Staaten klaffe, sei groß.

Das zeigte erst kürzlich der diesjährige UNEP Emissions Gap Report. Die Welt steuert demnach auf eine Erderwärmung von 2,9 Grad Celsius zu. Um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen, müssten die Emissionen bis 2030 um 42 Prozent fallen.

Auch bei der Weltklimakonferenz in Dubai wird ab kommender Woche Bilanz gezogen. Erstmals liegt die "Globale Bestandsaufnahme" am Verhandlungstisch. Ein im Pariser Klimaabkommen festgelegtes Instrumentarium, das alle fünf Jahre den weltweiten Fortschritt im Klimaschutz dokumentiert. Der technische Teil ist bereits ausgearbeitet und zeigt, dass bis zu 24 Gigatonnen CO2 zusätzlich eingespart werden müssten, um das Paris−Ziel zu erreichen.

Nun sind die Staaten am Zug, auf diese Bilanz zu reagieren und diese bei ihren Zielen für die nächste Periode zu berücksichtigen. Wichtiger als die Frage, was bis 2035 geschehen soll, sei jedoch der Blick auf 2030, mahnt Niklas Höhne vom New Climate Institute. Die Ziele für 2030 seien vollkommen unzureichend. Darauf habe man die Staaten bereits 2021 in Glasgow und vergangenes Jahr in Ägypten hingewiesen und aufgefordert nachzubessern − mit wenig Erfolg.

"Die Konferenz müsste eigentlich in einen Notfallmodus gehen", sagt der Klimaforscher. Verändern sich die Maßnahmen für 2030 nicht, seien die Emissionen am Ende des Jahrzehnts doppelt so hoch wie sie für das 1,5 Grad Ziel sein dürften. Das verbleibende CO2−Budget schwinde zu rasch und damit auch das Paris−Ziel.

Die Bestandsaufnahme sei eine rein kollektive, sagt Reimund Schwarze vom Helmholtz−Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Es gebe kein "naming und shaming". Dementsprechend werde es auch wenig Fortschritte geben, was das Nachbessern nationaler Klimaanstrengungen betrifft, sagt der Forscher. Dafür fehlen die Instrumentarien. "Es wird keinem Land in Dubai verordnet werden können, was es machen muss."

Bei den letzten Weltklimakonferenzen wurde der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen herausverhandelt. Sich darauf zu einigen, wäre laut Höhne ein wichtiges Zeichen: "Einige wollen nur den Ausstieg aus Emissionen. Das wäre aus meiner Sicht ein Fehler."

Ob unter der Präsidentschaft von Ahmed al Dschabir aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der nicht nur Industrieminister, sondern auch Chef des staatlichen Ölkonzerns ist, ein klares Bekenntnis zum fossilen Ausstieg möglich ist, wird von vielen angezweifelt. "Es kann eine Chance oder es kann ein Hindernis sein", so Lambert Schneider vom Öko−Institut in Berlin. Unter Umständen sei mehr möglich, wenn Kräfte, von denen man es nicht erwartet, sich bewegen.

Auch die Frage, welche Rolle die Entnahme und Speicherung von CO2 für die Erreichung der Klimaziele spielen kann, wird in Dubai Thema sein. Hier sei wichtig, zu differenzieren, so Höhne. Um die Klimaziele zu erreichen, müsse CO2 der Atmosphäre entzogen werden, durch Aufforstung beispielsweise. Das Abscheiden und Speichern von CO2 zu propagieren, das bei fossilen Verbrennungsprozessen anfällt, sei jedoch eine Scheinlösung. "Die im Prinzip nur dafür da ist, dass das Leben der fossilen Energien verlängert wird."

Die Richtung vorgeben und gemeinsame Visionen entwickeln: Das seien die Stärken der Weltklimakonferenz. Ohne das Paris−Ziel würde es keine Netto−Null−Ziele geben, keine Bestrebungen emissionsfreien Stahl zu produzieren oder aus dem Verbrenner auszusteigen, ist Höhne überzeugt. Dass sich rund 200 Staaten auf ein gemeinsames Papier einigen, sei "eigentlich ein Wunder". Und gelinge immer dann, wenn der öffentliche Druck groß genug ist: "Wenn die Regierungen nicht nach Hause fahren können, ohne irgendetwas Positives beschlossen zu haben, dann funktioniert es auf einmal doch."

Quelle:
https://science.orf.at/stories/3222294/
(abgerufen am 24.11.2023)