Klimakipppunkte


Durch die bisherige Klimaerwärmung drohen Fachleuten zufolge fünf großen Natursystemen möglicherweise unumkehrbare Umwälzungen. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten "Global Tipping Points Report" (Kipppunktebericht) hervor. Doch es gibt auch Anlass zur Hoffnung.

Unter Kipppunkten versteht man in der Klimaforschung, wenn durch Veränderungen ein Dominoeffekt ausgelöst wird, dessen Folgen unter Umständen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Das Konzept der Kipppunkte und damit verbundene Unsicherheiten werden in der Wissenschaftsgemeinde zum Teil intensiv diskutiert.

Einer der Hauptautoren des Berichts, Sina Loriani vom Potsdam−Institut für Klimafolgenforschung (PIK), sagte, das Überschreiten von Kippsystemen könne "grundlegende und mitunter abrupte Veränderungen auslösen". Diese könnten "das Schicksal wesentlicher Teile unseres Erdsystems für die nächsten Hunderte oder Tausende von Jahren unumkehrbar bestimmen".

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Erstellt wurde der Bericht von einem internationalen Team aus mehr als 200 Forschenden. Die Koordination lag bei der britischen Universität Exeter und dem Bezos Earth Fund. Es sei der "bisher umfassendste Überblick über Kipppunkte im Erdsystem", so PIK−Forscher Loriani. Der Bericht zu den Kipppunkten soll am Mittwochvormittag (Ortszeit) auf der Weltklimakonferenz (COP28) in Dubai vorgestellt werden.

"Fünf große Kippsysteme laufen bereits Gefahr, bei der derzeitigen globalen Erwärmung ihren jeweiligen Kipppunkt zu überschreiten", teilte das Potsdam−Institut für Klimafolgenforschung mit. Dabei geht es um den grönländischen und den westantarktischen Eisschild, die subpolare Wirbelzirkulation im Nordatlantik, Warmwasserkorallenriffe und einige Permafrostgebiete. "Wenn die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius ansteigt, könnten mit borealen Wäldern, Mangroven und Seegraswiesen drei weitere Systeme in den 2030er Jahren vom Kippen bedroht sein", so das PIK.

Würden mehrere Kipppunkte überschritten, bestehe zudem das Risiko eines katastrophalen Verlusts der Fähigkeit, Pflanzen für Grundnahrungsmittel anzubauen, warnen die Fachleute. "Ohne dringliches Handeln, um die klimatische und ökologische Katastrophe aufzuhalten, werden Gesellschaften überfordert sein, wenn die Natur aus den Fugen gerät", hieß es in einer Mitteilung der Universität Exeter.

Da die bisherige Antwort der Regierungen weltweit nicht ausreichend sei, legen die Forscherinnen und Forscher sechs Empfehlungen vor, um die negativen Kipppunkte zu vermeiden und sogar positive Kipppunkte einzuleiten. Zu den sechs Empfehlungen gehört, Emissionen durch fossile Brennstoffe und durch Landnutzung deutlich vor der Jahrhundertmitte zu stoppen. Zudem sollten negative Konsequenzen für besonders stark betroffene Gruppen und Länder gemildert werden.

Es brauche auch koordinierte Bemühungen, um positive Kipppunkte auszulösen und die Aufmerksamkeit für Kipppunkte zu erhöhen. Als Beispiele für positive Kipppunkte gelten der Ausbau erneuerbarer Energien und der Umstieg auf Elektromobilität. "Eine Kaskade positiver Kipppunkte würde Millionen von Leben retten, Milliarden Menschen Leid ersparen, Billionen von Dollar an Schäden verhindern und den Anfang für eine Wiederherstellung der Natur machen, auf die wir alle angewiesen sind", hieß es dazu in der Mitteilung der Universität Exeter.

Der EU−Klimawandeldienst Copernicus meldete indes, dass 2023 als heißestes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen in die Geschichte eingehen wird. "Die außergewöhnlichen weltweiten November−Temperaturen (...) bedeuten, dass 2023 das wärmste Jahr in der aufgezeichneten Geschichte ist", sagte Copernicus−Vizechefin Samantha Burgess.

An zwei Tagen habe die weltweite Durchschnittstemperatur die vorindustrielle saisonale Durchschnittstemperatur um mehr als zwei Grad übertroffen. Die Daten dürften den Druck auf die Verhandlungen bei der COP28 erhöhen. Dieses Jahr wurde bereits eine Reihe von Höchstwerten gemessen. Die Monate von Juni bis November waren laut Copernicus jeweils weltweit die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen.

Die UNO war in der vergangenen Woche zum selben Schluss wie Copernicus gelangt: Aus dem vorläufigen Klimazustandsbericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ging hervor, dass 2023 höchstwahrscheinlich das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen werde.

Quelle:
https://orf.at/stories/3341949/
(abgerufen am 06.12.2023)