Trügerisch


In Zeiten der Klimakrise kann man es fast schon als Sensation ansehen, wenn ein Jahr so wie heuer nicht zu den allerheißesten zählt. Die Temperaturen lagen 2021 sogar leicht unter dem Mittel der letzten 30 Jahre, beim Niederschlag gibt es ein kleines Defizit. Trotzdem hatte das Jahr einige Besonderheiten und Extreme aufzuweisen, die den Klimawandel sichtbar werden ließen.

Nach vielen extrem warmen Jahren und neuen Hitzerekorden war das Jahr 2021 in Österreich ein relativ normales, zumindest auf den ersten Blick. Es liegt mit einer Abweichung von minus 0,1 Grad sogar ganz leicht unter dem Durchschnittswert von 1991 bis 2020 und ist damit das kühlste Jahr seit 2010.

An der Klimaerwärmung ändert das freilich nichts. "2021 ist ein Ausreißer. Das Jahr liegt innerhalb der natürlichen Schwankungsbreite, und es war zu erwarten, dass einmal ein solcher kühlerer Ausreißer kommt. Der langfristige Trend zeigt nach wie vor nach oben", sagt Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klimaforschung an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien.

Die Kühle von 2021 ist auch nur als relativ anzusehen, denn vergleicht man das Jahr dem Temperaturmittel von 1961 bis 1990, dann war es heuer um 1,1 Grad zu warm. Noch in den 1960er Jahren wäre das heurige Jahr ein ganz extremes gewesen. So reiht sich 2021 unter die 25 wärmsten Jahre in der 254-jährigen Messgeschichte Österreichs ein, so die Bilanz der Klimaforscher der ZAMG.

2021 brachte sowohl einige Monate, die deutlich über dem Durchschnitt lagen, als auch ein paar Monate, die ungewöhnlich kühl verliefen. Der Juni war der drittwärmste der Messgeschichte, Februar und September verliefen auch sehr warm. Dagegen war der April der kühlste seit 1997, der Mai war auch ungewöhnlich kalt, und im August kamen ebenfalls nur an einigen Tagen Sommergefühle auf.

Auffällig war auch die zeitliche und räumliche Verteilung von Regen und Schnee. Unterm Strich kommt zwar mit einem Minus von sieben Prozent weniger Niederschlag ein fast ausgeglichenes Jahr in Österreich heraus, aber 2021 war gekennzeichnet von großen Gegensätzen. Neben langen Trockenperioden besonders im Frühling und Herbst gab es auch ausgesprochen nasse Phasen und so manches Starkregenereignis mit extrem viel Niederschlag in kurzer Zeit. Deutlich nasser als normal war das Jahr im Rheintal und im Raum St. Pölten, das relativ trockenste Bundesland war die Steiermark.

Die höchste Temperatur wurde am 8. Juli in Bad Deutsch-Altenburg (Niederösterreich) registriert: 37,5 Grad. An acht Tagen wurde die 35-Grad-Marke überschritten. Damit ist Österreich aber verglichen mit anderen Teilen Europas glimpflich davongekommen, denn im Mittelmeer-Raum und am Balkan gab es im Sommer regelmäßig an oder über 40 Grad. Die tiefste Lufttemperatur in Österreich, minus 29,4 Grad am 13. Februar, wurde am Dachstein-Gletscher (Oberösterreich, 2.520 m) gemessen.

Sehr kalt war es auch im Jänner in Osttirol und Oberkärnten. In den tiefverschneiten Tälern wurden unter minus 20 Grad gemessen, in Lienz sage und schreibe minus 23,5 Grad. Osttirol und Oberkärnten haben durch eine Vielzahl von Mittelmeer-Tiefs sehr viel Schnee abbekommen. In Lienz sind im ganzen Winter 324 cm Schnee gefallen, um über einen Meter mehr als im bisherigen Rekordwinter.

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Aber auch in Vorarlberg hat es im Jänner viel geschneit. In Feldkirch lagen am 17. Jänner 70 cm, mehr Schnee gab es hier zuletzt im Jahr 1953. In Bregenz war der Jänner der niederschlagreichste seit Beginn der Aufzeichnungen. Dagegen meldete Wien gerade einmal 7 cm Neuschnee.

Der Februar war dann fast ein Totalausfall in puncto Schnee, dagegen stand ungewöhnliche Wärme auf dem Programm. An sechs Tagen in Folge hatte es in Österreich 20 Grad und mehr, zahlreiche Stationsrekorde purzelten. Die Wärmewelle gipfelte in 22,6 Grad im steirischen Köflach am 23. Februar.

Im März kam der Schnee zurück, Salzburg meldete am 19. des Monats stolze 23 cm. Zwei Tage später herrschte in Salzburg wie in vielen anderen Regionen Österreichs dann sogar Dauerfrost, sehr ungewöhnlich so spät im Jahr. Das Blatt hat sich aber schnell gewendet, am 30. März klopfte der Sommer an: 25,2 Grad in Wolkersdorf in Niederösterreich. Tags darauf gar 25,5 Grad in St. Andrä im Lavanttal (Kärnten), und am 1. April erlebte Wien einen Sommertag, es war der zweitfrüheste der Messgeschichte.

Auf das sommerliche Intermezzo folgte im April ein radikaler Absturz mit Kälte und Schnee bis ins Flachland. Nur acht Tage nach dem Wärmerekord erlebte das Lavanttal die kälteste Aprilnacht seit Messbeginn: minus 7 Grad. Und es folgten weitere eisige Nächte. Klagenfurt kam im April auf zehn Frostnächte, Graz-Thalerhof sogar auf zwölf. Allein in der steirischen Obstwirtschaft ist durch den häufigen Frost im April ein Schaden von 23 Millionen Euro entstanden, so die Österreichische Hagelversicherung.

Der Mai begann mit einem ordentlichen Sturm: 112 km/h auf der Hohen Warte in Wien. Der Mai war auch kühl, in Bregenz reichte es nur für vier Tage mit über 20 Grad, normal wären 14. Die Natur war deutlich im Rückstand. Vorübergehend wurde es aber heiß, am 10. Mai wurde in Salzburg die 30-Grad-Marke überschritten, einen Monat früher als normal. Die darauffolgende Nacht war dann die früheste Tropennacht jemals in der Mozartstadt, die ganze Nacht blieb es über 20 Grad warm. Anders als die Vormonate brachte der Mai reichlich Regen, für die Natur im wahrsten Sinne des Wortes ein Segen, hat er doch die Ernten gerettet. Denn der Juni war dann schon wieder trocken.

Der Juni war der extremste Monat des ganzen Jahres, brachte er doch zum einen große Trockenheit, zum anderen heftige Unwetter und eine außergewöhnliche Hitzewelle. Für Innsbruck war es mit acht und St. Pölten mit sieben Tagen hintereinander über 30 Grad die längste Hitzewelle im Juni überhaupt seit Messbeginn.

Vielerorts gab es in Österreich ausgedörrte Wiesen, nur zwei Liter Regen pro Quadratmeter sind im ganzen Monat in Podersdorf (Burgenland) gefallen. Auf der anderen Seite entluden sich aber auch bemerkenswert starke Gewitter. Am 22. Juni wurde Oberösterreich getroffen, besonders die Bezirke Gmunden und Vöcklabruck. Im Raum Gmunden lag der Hagel noch tagelang. Für die Oberösterreichische Versicherung war es das größte Schadensereignis in ihrer Geschichte.

Geschichtsträchtig war auch die explosive Gewitterlage am 24. Juni. Sie sorgte "für einen in Mitteleuropa in den letzten Jahrzehnten beispiellosen Ausbruch an Hagelunwettern", schrieb die ZAMG in ihrer Jahresbilanz. Im Wald- und Weinviertel (Niederösterreich) gingen an diesem Tag Unwetter mit Hagelgrößen bis zwölf Zentimeter nieder. In Schrattenberg wurden dabei 250 Dächer zerstört, ein paar Kilometer weiter hinter der tschechischen Grenze zog ein Tornado seine Spur der Verwüstung.

Der Juli brachte weitere Unwetter, die Bilder der Überflutungen in Hallein durch den Kothbach oder auch des Hochwassers in Kufstein haben sich bei vielen ins Gedächtnis gebrannt. In Kufstein regnete es am 17. und 18. Juli 163 Liter pro Quadratmeter, so viel wie noch nie hier in 48 Stunden. Regenrekorde gab es an diesen Tagen auch in Oberndorf an der Melk (Niederösterreich).

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Extremen Regen gab es auch in Wien: Auf der Hohen Warte fielen am Abend des 17. Juli in nur drei Stunden 80 Liter pro Quadratmeter. Ende des Monats dann Land unter in Graz. Im Stadtbezirk Andritz kamen in kurzer Zeit 172 Liter Regen pro zusammen, auch die Innenstadt stand unter Wasser. Bis dahin zählte der Juli in Graz zu den trockensten der Messgeschichte. St. Pölten erlebte den zweitnassesten Sommer seit 1894. Bemerkenswert dabei: Rund die Hälfte des Niederschlags ist an lediglich drei Tagen gefallen.

Diese Häufung an Regenrekorden im Sommer war wohl kein Zufall, dahinter steckt auch der Klimawandel. "Zwar kann nicht jedes Extremereignis auf den menschgemachten Einfluss zurückgeführt werden, aber die Anzahl solcher Ereignisse steigt deutlich und wird in Zukunft als Funktion der weiteren Treibhausgase noch zunehmen", so der Klimaforscher Olefs.

Die Physik hinter der Zunahme der Starkregenereignisse ist ganz einfach: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen und dann auch als Regen wieder abgeben. Das Potenzial für Starkregen nimmt durch die Erwärmung zu. Steigende Temperaturen bedeuten aber auch stärkere Verdunstung und vermehrte Dürren. Der in diesem Sommer wieder stark gesunkene Neusiedler See ist das beste Beispiel.

Der August brachte noch ein kurzes Aufflackern der Hitze, war aber sonst wenig sommerlich. Dafür aber der September: Trotz bereits viel kürzerer Tage gab es mehr Sonnenschein als im August, Eisenstadt erlebte die späteste Tropennacht seiner Geschichte, Innsbruck kam auf mehr Sommertage als im August.

Den letzten Sommertag (25 Grad) gab es am 20. Oktober in Reichenau an der Rax. Wenige Kilometer entfernt in Hirschwang brach wenig später der größte Waldbrand der letzten Jahre in Österreich aus, rund 100 Hektar waren betroffen. Begünstigt hat den Waldbrand die ungewöhnliche Trockenheit in diesem Herbst. Fast durchwegs gab es nämlich ruhiges Hochdruckwetter. Da es auch sehr spät mit zähem Nebel losging, zählte der Herbst zu den sonnigsten seit Messbeginn in Österreich. In Wien wurden von September bis November 499 Sonnenstunden gezählt, 30 Prozent mehr als normal.

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Im November begann sich das Wetter umzustellen, es wurde feuchter, und Ende des Monats gab es den ersten Schnee bis ins Flachland. Der Dezember legte in der ersten Monatshälfte nach, und in Klagenfurt stieg die Schneehöhe auf über 30 cm, der höchste Wert seit acht Jahren. Auch in Fürstenfeld, Neumarkt in der Steiermark und Wien gab es so viel Schnee wie viele Jahre nicht mehr.

Vielerorts in den Niederungen ist der Schnee aber dem nachfolgenden Tauwetter wieder zum Opfer gefallen, in Köflach wurden am 19. Dezember frühlingshafte 16 Grad gemessen. Klagenfurt war die einzige Landeshauptstadt mit weißen Weihnachten und einer geschlossenen Schneedecke, immerhin das erste Mal seit 2010 wieder.

Quelle:
https://orf.at/stories/3241394/
(abgerufen am 27.12.2021)