Schädliche Teilung


Welthandel und globale Arbeitsteilung haben viele Produkte billiger gemacht. Einige Folgen sind aber bizarr: Eine neue Studie etwa schätzt, dass China knapp drei Viertel seiner importierten Fische und Meeresfrüchte weiterverarbeitet und dann wieder exportiert − das schadet nicht zuletzt dem Klima.

China gilt als der weltgrößte Produzent, Importeur und Exporteur von Fisch und Meeresfrüchten. Ein Großteil der importierten Ware ist aber gar nicht für die eigene Bevölkerung bestimmt, wie ein internationales Forscherteam in einem aktuellen Bericht im Fachjournal "Science" aufzeigt. Nach dem Sammeln einiger Daten schätzen die Autorinnen und Autoren, dass China knapp 75 Prozent der Seefische und Meeresfrüchte, die das Land selbst importiert, auch wieder exportiert.

Für Ökonom Harald Oberhofer von der Wirtschaftsuniversität Wien und dem Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) ist es nicht überraschend, dass China eine so große Menge der Fischimporte wieder exportiert. In vielen Fällen sei das Land ein Zwischenstopp, in dem zum Teil nur ein einziger Arbeitsschritt am Produkt durchgeführt wird, bevor es weiter verschifft wird.

Arbeitsteilung 01

Auch in Bereichen abseits von Nahrungsmittel habe sich die Produktion vieler Produkte schon lange in asiatische Länder verlagert. Gegenüber dem ORF erklärt Oberhofer: "Diese Idee, den Kostenvorteil in asiatischen Ländern auszunutzen, war natürlich sehr lange ein generelles Modell der chinesischen Wirtschaftsentwicklung. Dort hat man sozusagen einen großen Teil der Produktion gemacht, die Entwicklung der Produkte fand aber in den USA oder in Europa statt."

Die wirtschaftlichen Vorteile der globalen Arbeitsteilung liegen, laut Oberhofer, auf der Hand. Entwickler und Produzenten würden etwa von den billigeren Arbeitskräften oder den niedrigeren Gesundheitsstandards in anderen Ländern profitieren. Aber auch für Konsumenten ergeben sich Vorteile, so der Ökonom: "Wenn es möglich ist, verschiedene Arbeitsschritte immer dort zu erledigen, wo sie am billigsten sind, dann wird natürlich auch zum Beispiel der Fisch im Supermarkt deutlich günstiger. So kann man ganz andere Preise erzielen, als wenn jedes Land den Fisch für sich selbst verarbeiten wollte."

Nicht immer hänge die globale Arbeitsteilung aber von den Lohnkosten in anderen Ländern ab. Oberhofer: "Bei komplizierteren Produkten, die sehr viel Knowhow benötigen, wird die Produktion oft in Länder verlagert, in denen es viele Experten auf dem jeweiligen Gebiet gibt." Ein Beispiel globalisierter Handelsketten seien etwa moderne Smartphones. "In den Geräten sind Materialien aus wahrscheinlich allen Kontinenten der Erde enthalten, die in verschiedenen Arbeitsprozessen in unterschiedlichen Ländern zu einem einzigen Gerät zusammengebaut werden", so der Ökonom.

Trotz der Vorteile bringe die globale Arbeitsteilung auch viel Negatives mit sich. Ein besonderes Problem stellt sie etwa für das Klima dar. Oberhofer: "Es ist aktuell noch so, dass die Umweltkosten für sehr lange Transportwege natürlich größer sind als für kurze Wege und wir sicherlich in einer Welt leben, wo insgesamt zu viel zu weit transportiert wird." Der Ökonom könnte sich vorstellen zum Beispiel einen globalen CO2-Preis einzuführen, um lange Transportwege teurer zu machen.

Arbeitsteilung 02

Um einen fairen Wettbewerb am Weltmarkt zu garantieren, seien laut Oberhofer auch gleiche Standards wichtig, an die sich alle Länder halten müssen. "Dabei geht es unter anderem natürlich auch um Umwelt- und Klimastandards", so der Ökonom. Länder mit hohen Strafen für Abgase seien für manche Firmen natürlich weniger interessant.

Das Forscherteam kritisiert im Bericht über Chinas Fischexporte unter anderem, dass es durch die großen Mengen und undurchsichtigen Daten über Bezugsquellen oft schwierig ist, die tatsächliche Herkunft der Fische und Meeresfrüchte zu bestimmen. Außerdem komme es laut dem Bericht scheinbar auch zu Fällen, in denen importierte Fische auf unterschiedliche Weisen verarbeitet und dann als anderer, meist hochwertigerer Fisch exportiert werden. Auch Oberhofer findet, dass die Nachverfolgung einiger Produkte wegen der vielen Transportwege und auch oft ungenauen Daten erschwert wird.

Dass über den Fisch hinaus auch noch viele weitere Produkte in China produziert werden, sei unter gewissen Umständen ebenfalls ein Nachteil, wie beispielsweise die CoV-Pandemie aufgezeigt hat. "Wenn die Produktion verschiedener Produkte auf sehr wenige Orte in der Welt konzentriert ist und der Weltmarkt nur aus ganz wenigen Standorten bedient wird, ist das System natürlich im Angebot gewissermaßen anfällig", so Oberhofer. Da China als größter Exporteur von Fischen und Meeresfrüchten gilt, könnten etwa geschlossene Häfen Auswirkungen auf Haushalte und Restaurants auf der ganzen Welt haben.

Neben allgemein gültigen Klima-Regeln und einem besseren Zugang zu Daten über den Ursprung der Produkte müsse es für eine funktionierende und faire Arbeitsteilung auch noch weitere Standards geben. Darunter fallen laut Oberhofer etwa Bereiche wie der Mindestlohn, die Gesundheitsversorgung oder auch wichtige Themen wie Kinderarbeit. Der Ökonom erklärt: "Wenn wir auf der ganzen Welt gleiche Standards haben und es dann immer noch so ist, dass man in China günstiger und billiger produzieren kann, dann ist das eben so und dann ist das ökonomisch sinnvoll. Wenn es aber durch unterschiedliche Rahmenbedingungen zustande kommt, dann verzerrt das den Wettbewerb und den Markt."

Quelle:
https://science.orf.at/stories/3211166/
(abgerufen am 29.01.2022)