Grazer Frühwarnsystem


Wenn ein Sonnensturm auf die Erde trifft, kann das gravierende Folgen für Kommunikations- und Energieversorgungssysteme haben. Grazer Forscher entwickeln nun ein Frühwarnprogramm, das die Stärke von Sonnenstürmen besser vorhersagen soll.

Sonnenstürme sind meistens so schwach, dass die Atmosphäre und das Magnetfeld der Erde den Planeten ausreichend schützen können; bei massiven Sonnenstürmen können die Auswirkungen jedoch riesig sein und von starken Spannungen im Stromnetz, gestörten GPS- und Flugfunkverbindungen bis zu länderweiten Internet-Ausfällen und flächendeckenden Stromausfällen reichen.

Je besser die Vorhersage, umso besser kann jedoch zeitgerecht reagiert und Schäden geringer gehalten werden. In Graz arbeiten nun die Datenexpertinnen und -experten des Know-Centers mit Forschenden des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zusammen, um ein entsprechendes Vorhersagetool auf Basis von Künstlicher Intelligenz zu entwickeln. Sie sind Teil des EU-Projektes "Europlanet 2024 − Research Infrastructure", welches das Ziel hat, die europäische Forschung auf dem Gebiet der planetaren Wissenschaften insgesamt stärker zu vernetzen und voranzutreiben.

Laut den Grazer Forschern sendet die Sonne ständig Strahlung und geladene Teilchen in den Weltraum − den Sonnenwind. Sogenannte koronale Massenauswürfe, im allgemeinen Sprachgebrauch auch Sonnenstürme genannt, lassen die Teilchendichte mitunter jedoch stark ansteigen.

Die Fähigkeit von Sonnenstürmen, extreme geomagnetische Stürme zu verursachen, hängt wiederum im Wesentlichen von der Orientierung ihres Magnetfeldes ab − in der Fachsprache spricht man von der "Bz-Magnetfeldkomponente". Hier entscheidet die relative Orientierung dieser Komponente zum Erdmagnetfeld, wie viel Energie auf das Erdmagnetfeld übertragen wird: Je stärker die Bz-Komponente nach Süden zeigt, desto größer ist die Gefahr eines massiven geomagnetischen Sturms.

Bisher kann die Bz-Magnetfeldkomponente nicht mit ausreichender Vorwarnzeit vor dem Eintreffen des Sonnensturms auf der Erde vorhergesagt werden. Maschinelles Lernen ermöglicht es den Forschern jedoch, Algorithmen zu trainieren, um riesige Datenmengen zu analysieren und daraus Vorhersagen und neue Lösungen abzuleiten.

"Es dauert nur ein paar Minuten, bis Daten, die von Sonden direkt im Sonnenwind gemessen wurden, zur Erde übermittelt werden. Wir haben uns zunächst angesehen, ob Informationen über die ersten Stunden eines Sonnensturms überhaupt ausreichend sind, um seine Stärke vorhersagen zu können", erklärt Hannah Rüdisser vom Know-Center. "Das Europäische Forschungsnetzwerk ´Europlanet 2024´ beherbergt einen großen Datenschatz, der aus Weltraummissionen, Simulationen und Laborexperimenten stammt. Unser Ziel ist, Wissen, das in diesen Daten steckt, hervorzuholen und nutzbar zu machen."

Um das Vorhersagetool zu "trainieren", haben die Forschenden das Programm mit Daten von rund 350 unterschiedlichen Sonnenstürmen seit 2007 gefüttert. Um das Prognosewerkzeug nun im experimentellen Echtzeitmodus zu testen, simuliert das Team, wie Sonnenstürme von Raumsonden gemessen werden und bewertet, wie die kontinuierliche Einspeisung neuer Informationen die Vorhersagen verbessert. "Unser Prognosewerkzeug kann die Bz-Komponente recht gut vorhersagen. Besonders gut funktioniert es, wenn wir Daten der ersten vier Stunden des magnetischen Kerns des Sonnensturms heranziehen", fasst Rüdisser die ersten Ergebnisse zusammen.

Durch neue Weltraummissionen erhofft man sich weitere Daten, die die Genauigkeit der Vorhersagen weiter erhöhen sollen. Im Abschluss wollen die Forschenden Sonnenstürme mithilfe von KI-Methoden ganz automatisch im Sonnenwind entdecken − das sei nötig, um die Methode auch in Echtzeit anwenden zu können, ohne dass ein menschlicher Benutzer die Sonnenstürme laufend identifizieren muss.

Quelle:
https://steiermark.orf.at/stories/3143182/
(abgerufen am 17.02.2022)