Extreme Hitze


Indien und Pakistan erleben aktuell (Anm.: 29.04.2022) eine gefährliche Hitzewelle. Die Temperaturen nähern sich bis zum Wochenende der 50-Grad-Marke. So eine extreme Hitze im Frühjahr ist ungewöhnlich und ein weiterer Puzzlestein der Klimakrise, denn seit Jahren nehmen die Hitzetage kontinuierlich zu. Das hat auch Folgen für die heurige Weizenproduktion Indiens, die Ernte schrumpft.

Eines der wohl gefährlichsten Symptome der Klimakrise sind längere und stärkere Hitzewellen. In Pakistan und Indien zeigt sich das bereits seit Wochen. Schon der März war der zweitheißeste seit über 120 Jahren, im Osten des Landes war es überhaupt der heißeste, so der Indische Wetterdienst (IMD).

Begleitet war die Hitze von großer Trockenheit, denn nur ein Viertel bis ein Drittel der normalen Regenmenge ist gefallen. Auch der April ist auf dem besten Wege, einer der heißesten seit Aufzeichnungsbeginn zu werden. Im Laufe dieser Woche schießen die Temperaturen in fast ungeahnte Höhen, bis an die 50 Grad sind an manchen Orten möglich.

Am Montag wurden in Indien in der Stadt Wardha bereits 45 Grad gemessen. Noch eine Spur heißer war es in Pakistan, wo in der Stadt Nawabshah im Süden des Landes 46 Grad registriert wurden. Gestern, Dienstag, lag hier der Höchstwert schon bei 46,5 Grad, und in Indien war Barmer in Rajasthan mit 45,1 Grad ganz oben auf der Temperaturrangliste.

Betroffen von der Gluthitze ist fast ganz Indien, besonders aber die Bundesstaaten Rajasthan und Gujarat, in Pakistan sind die Bundesstaaten Belutschistan, Punjab und Sindh die Hitzepole. Knapp 1,4 Milliarden Menschen leben alleine in Indien, die Bevölkerung von Pakistan beträgt 221 Millionen (Stand 2020).

Der Großteil der Menschen lebt in Armut und ohne Klimaanlagen. Für ältere und geschwächte Personen ist die Hitze schlichtweg lebensgefährlich. Fast die Hälfte der Berufstätigen in Indien arbeitet in der Landwirtschaft, ist der Hitze unter der sengenden Sonne ausgesetzt. Wie eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, hat die Anzahl an tödlichen Hitzewellen in Indien mit mehr als 100 Opfern zwischen 1960 und 2009 um fast 150 Prozent zugenommen.

Indien und Pakistan sind Hitze an und für sich gewöhnt, aber die extreme Frühlingshitze ist mittlerweile nicht mehr nur ein Einzelfall oder eine "Laune der Natur". Einer Studie des Indischen Wetterdienstes zufolge nimmt die Frequenz der Hitzewelle in Indien dramatisch zu.

Gab es in den 1980er Jahren im Schnitt 41 Tage pro Jahr mit Höchsttemperaturen von über 40 Grad, waren es in den 2010er Jahren bereits 60. Dazu kommt ein teilweise extremes Niederschlagsdefizit. All das macht Indien zu einem der Hotspots des globalen Klimawandels, wie es der Deutsche Wetterdienst beschreibt.

Der Grund für die Hitzewelle ist ein seit Wochen stabiles Hoch, das sich über dem Süden Asiens festgesetzt hat. Die starke Sonneneinstrahlung heizt die Luft jeden Tag mehr auf. Das Resultat dieser atmosphärische Blockierung ist ein Hitzestau über Pakistan und Indien. Wie unter einem Dom ist die Luft gefangen, daher sind so hohe Temperaturen über 45 Grad überhaupt erst möglich.

Eine enorme Belastung ist die Hitzewelle auch, weil es in den Nächten kaum unter 25 bis 30 Grad abkühlt, vor allem im urbanen Gebiet. Die durch Beton und Asphalt versiegelten Flächen geben auch noch in der Nacht die tagsüber gespeicherte Hitze ab. Dieses Phänomen ist bekannt als städtische Hitzeinseln.

Temperaturen von 45 Grad und mehr sind für April sehr ungewöhnlich und eigentlich erst im Frühsommer normal. Der indische Rekord für April liegt bei 48,5 Grad und wurde 2016 aufgestellt, für Pakistan liegt der April-Rekord bei 50,3 Grad und wurde vor vier Jahren registriert. Die aktuellen Wetterprognosen zeigen: In etwa so heiß wird es im Laufe der zweiten Wochenhälfte. Damit können Rekorde gebrochen werden.

Der Höhepunkt der Hitzewelle ist für Sonntag zu erwarten, dann ist jedoch schon Mai. Der indische Rekord für Mai liegt bei 51 Grad und wurde in Phalodi in Rajasthan am 19. Mai 2016 gemessen, das ist zugleich auch der absolute Hitzerekord des Landes. Die höchste jemals in Pakistan gemessene Temperatur liegt bei 53,7 Grad in Turbat in Belutschistan am 28. Mai 2017.

Vorbei ist die Hitze aber auch nach dem vorläufigen Höhepunkt am Sonntag noch nicht, sie geht wahrscheinlich in der nächsten Woche weiter. Erst mit Einsetzen des Sommermonsuns, traditionell ab Juni oder Juli, gehen die Temperaturen normalerweise etwas zurück. Beim Monsun ändert sich die großräumige Luftströmung auf dem indischen Subkontinent, und es kommt zu starken Regenfällen.

Hitze und Trockenheit haben auch Folgen in der Landwirtschaft. Indien ist nach China der zweitgrößte Weizenproduzent der Welt. Indischen Medienberichten zufolge könnte die Weizenproduktion heuer um zehn bis 15 Prozent niedriger ausfallen. Die Körner konnten aufgrund des extrem heißen und trockenen Wetters nicht voll ausreifen.

Indien produziert jährlich rund 110 Mio. Tonnen Weizen, großteils zur Eigenversorgung. Sollte Indien seinen Verbrauch nicht mehr zur Gänze decken können, wäre eine weitere Verknappung die Folge, sagte der Agrarökonom des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Franz Sinabell, zur APA. Eine schlechte Weizenernte in Indien würde also die aufgrund des Ukraine-Kriegs ohnehin schon angespannten Weltmärkte indirekt treffen.

Quelle:
https://orf.at/stories/3262076/
(abgerufen am 29.04.2022)