Carbon farming


In Böden ist viel Kohlenstoff gespeichert − weshalb sie immer stärker im Zentrum weltweiter Klimaschutzinitiativen stehen. Mittels "carbon farming" will die EU den Humusaufbau in Europas Böden fördern und lukrativ machen. Potenzial ist vorhanden, jedoch ist es sehr ungleich verteilt.

Fruchtbare Böden sind ein sehr belebter Lebensraum. In ihnen wimmelt es nicht nur von Bodentieren, von Regen− und Fadenwürmern, Asseln und Wimperntierchen, sondern vor allem von Mikroorganismen, von Pilzen, Bakterien und Archaeen. "Schätzungsweise hat man in einem Gramm Boden circa eine Milliarde bis zehn Milliarden mikrobielle Zellen", erklärt Christina Kaiser vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften der Universität Wien. Je mehr Pflanzenreste im Boden, desto belebter ist er, sagt die Ökologin. Abgestorbene Pflanzenteile dienen den Mikroorganismen als Nahrung.

Dachte man früher, dass Humus zum Großteil aus nicht abgebauten Pflanzenresten besteht, so weiß man heute, dass es sich dabei um bereits verarbeitetes Material handelt. Material, das von Mikroorganismen aufgenommen, verwertet und durch Wachstum in ihre eigene Biomasse eingebaut wurde. "Der Großteil des Humus sind eigentlich die Überreste und die Stoffwechselprodukte der Mikroorganismen", sagt Kaiser. Nur ein kleiner Teil sei nicht abgebautes Pflanzenmaterial.

Humus macht Böden fruchtbarer, weshalb Humusaufbau schon immer im Fokus nachhaltiger Landwirtschaft stand. Neu sei die Klimaperspektive auf den Humus, sagt Gernot Bodner vom Institut für Pflanzenbau der Universität für Bodenkultur Wien. "Sowohl die Vielfalt als auch die Menge der Boden−Mikrobiologie in Ackerböden hat abgenommen." Der Grund dafür seien offen liegende Äcker, auf denen keine Pflanzen wachsen. Mikroorganismen bevorzugen ein vielfältiges Futter, weshalb sie sich besonders über Zwischen− oder Untersaaten freuen, die aus einer Mischung verschiedener Pflanzenarten bestehen.

Eine Bewirtschaftung "nahe an der Natur", mit Zwischensaaten und einer geringen Bodenbearbeitung, kann den Humusgehalt im Boden erhöhen. Das konnten Gernot Bodner gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen im Forschungsprojekt "Boden.Pioniere" zeigen. Böden von "Pionierbetrieben", die ihre Flächen bodenaufbauend bewirtschafteten, wiesen um mehr als 20 Prozent mehr Humus auf und auch das mikrobielle Bodenleben konnte um fast 40 Prozent gesteigert werden.

Gleichzeitig gebe es aber auch Grenzen, was Humusvorräte in Ackerböden betrifft, erklärt der Forscher. Im Forschungsprojekt wurden auch Ackerränder als natürliche Referenzfläche beprobt. Sowohl ihr Humusgehalt als auch ihr Bodenleben waren ausgeprägter. "Jetzt stellt sich die Frage: Ist eine natürliche Referenzfläche ein vernünftiges Ziel für den Ackerbau ? Und da muss man sehr vorsichtig sein, weil der Ackerbauer erntet. Das heißt, er bringt notwendigerweise etwas vom Feld weg, weil sein Ziel ja Lebensmittelproduktion ist."

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Das Potenzial des Bodens CO2 zu binden, wurde bereits bei der Klimakonferenz 2015 in Paris diskutiert. Laut der dort vorgestellten "4−Promille−Initiative" könnten die jährlich anfallenden, vom Menschen verursachten, CO2−Emissionen im Boden gebunden werden, wenn es gelingt, den Humusgehalt aller Böden um jährlich vier Promille zu steigern. Ein theoretisches Potenzial, sagt dazu Sophie Zechmeister−Boltenstern, die das Institut für Bodenforschung an der Universität für Bodenkultur leitet. Den Mikroorganismen im Boden macht die Klimaerwärmung zu schaffen; Humus geht stärker verloren. "Wenn es wärmer wird, dann fangen sie quasi zum Hecheln an, atmen also stärker und bauen mehr Humus ab."

Das Humusaufbaupotenzial für Europas Böden wurde kürzlich im Rahmen des Forschungsprojekts EJP Soil berechnet. "Es reicht nicht aus, um wirklich die gesamten Emissionen einzufangen, aber es ist doch höher als erwartet", sagt Sophie Zechmeister−Boltenstern. Bis zu dreißig Prozent der Emissionen, die in der Landwirtschaft anfallen, könnten durch Humusaufbau in Europas Böden gespeichert werden, so das Ergebnis.

Positiv sei, dass Landwirte und Landwirtinnen durch Humusaufbau einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und ihre Äcker gleichzeitig resistenter machen können, meint Zechmeister−Boltenstern. Gibt es viel Humus im Boden, kann der Boden besser Wasser halten, Erosionen werden weniger und die Felder müssen weniger stark gedüngt werden.
Noch dieses Jahr möchte die EU−Kommission einen Gesetzesentwurf für "carbon farming" vorlegen. Landwirtinnen und Landwirte sollen künftig Zahlungen erhalten, wenn sie den Humusgehalt ihrer Böden steigern, so die Idee hinter der Initiative.

Von Seiten der Wissenschaft wird diese Idee skeptisch gesehen. Es sei schwierig, Humusaufbau nachzuweisen, gerade wenn es um Unterschiede im Promille−Bereich geht. Zudem würden durch ein Zahlungssystem all jene Landwirtinnen und Landwirte benachteiligt, die sich bereits jetzt um den Humus in ihren Böden kümmern. "Humusaufbau ist nicht auf allen Flächen im gleichen Ausmaß möglich", sagt Gernot Bodner. Es gebe eine Sättigungskurve: In humusreichen Böden gelte es den Humusanteil zu erhalten; weiter anreichen könne man diese Böden nicht.

Österreichs Böden hätten bis in die 1990er Jahren Humus verloren, erzählt Sophie Zechmeister−Boltenstern. Dann habe ein Umdenken eingesetzt und gewisse Techniken, wie beispielsweise Stroh verbrennen, wurden verboten. Heute seien die Böden in Österreich weniger degradiert als etwa die Böden am Balkan, weshalb Österreich auch, was den Humusaufbau betrifft, von einem relativ hohen Niveau aus starte und die Möglichkeiten Humus aufzubauen geringer seien.

Quelle:
https://science.orf.at/stories/3212921/
(abgerufen am 08.05.2022)