Lebensmittelpreise


Nicht nur bei Treibstoffen und Haushaltsenergie, auch bei Lebensmitteln sind die Preise in den letzten Monaten stark gestiegen. Gerade Grundnahrungsmittel wurden teils deutlich teurer. Der Krieg in der Ukraine ist ein wesentlicher, aber bei Weitem nicht der einzige Grund dafür. "Schuld" an den hohen Lebensmittelpreisen ist ein Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren.

Nahrungsmittel kosteten laut Statistik Austria mit Letztstand März im Durchschnitt um 5,4 Prozent mehr als vor einem Jahr, bei einigen Grundnahrungsmitteln fielen die Preissteigerungen noch höher aus, etwa bei Obst, Gemüse, Milch, Käse und Brot. Die Gesamtinflation lag bei 6,8 Prozent. Für April dürfte sie bei 7,2 Prozent liegen.

Zuletzt widmete sich das Institut für Höhere Studien (IHS) in einem Special Report dem Thema Inflation speziell bei Lebensmittelpreisen und landwirtschaftlichen Produkten und den Faktoren, die für den Anstieg der Preise verantwortlich sind. Kernaussagen: Die Entwicklung sei eine globale, die Gründe vielfältig, einige davon temporärer, andere langfristiger Natur. Die Rohstoff−, Produktions− und Transportkosten seien gestiegen, stärkere Nachfrage und die Rohstoffbörsen spielten eine Rolle − und natürlich seit Ende Februar und dem russischen Überfall auf die Ukraine der Krieg dort als großer Unsicherheitsfaktor.

Der Krieg hat die Entwicklung der Inflation nochmals beschleunigt, er war aber nicht der allein ausschlaggebende Faktor für den aktuellen Stand. Die gegenwärtigen Preissteigerungen seien Folge von Entwicklungen noch aus dem letzten Jahr, "jedenfalls ist dafür noch nicht der Krieg in der Ukraine verantwortlich", so der Ökonom Josef Baumgartner vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) im Gespräch mit ORF.at. Die Auswirkungen des Ukraine−Krieges würden allerdings "noch später im Jahr zu spüren sein".

Nur ein Beispiel sind die Produktionskosten in der Landwirtschaft, die schon lange vor dem russischen Angriff auf die Ukraine stark zu steigen begonnen hatten. Dieselkraftstoff für den Betrieb von landwirtschaftlichen Maschinen wurde teurer, die Preise für Düngemittel schossen enorm in die Höhe. Stickstoffdünger (Kalkammonsalpeter) etwa verteuerte sich laut Landwirtschaftskammer Österreich (LK) zwischen Sommer 2021 und diesem Jahr von 258 auf 808 Euro pro Tonne − um mehr als 200 Prozent.

Die landwirtschaftliche Produktion in Europa und Nordamerika sei außerdem "sehr maschinenintensiv", so WIFO−Ökonom Baumgartner, was einen "hohen Verbrauch teurer Treibstoffe" bedeute. Bei Kunstdünger wiederum spiele Erdgas in der (sehr energieintensiven) Produktion eine doppelte Rolle: als Energieträger und als Rohstoff. Der enorme Preisanstieg bei Erdgas in den letzten Monaten habe auch die Düngerpreise "in neue Höhen gehievt".

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Außerdem sei Futtergetreide teurer geworden, was wiederum Einfluss auf die Preise für Fleisch, Milch und Eier habe, so Baumgartner. In der Folge seien dann auch die Preise für verarbeitete Produkte gestiegen, nachdem sich Vorprodukte und Energie verteuert hatten. Futtergerste etwa kostete mit Stand Anfang April laut Landwirtschaftskammer um über 70 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Preise für Qualitätsgetreide stiegen noch stärker.

Der Krieg in der Ukraine hat die Preissteigerungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen zuletzt weiter verschärft. WIFO−Ökonom Baumgartner verweist im Gespräch mit ORF.at auf den russischen Exportstopp für Getreide und den weitreichenden Ausfall der Ukraine als wichtigem Getreideproduzenten.

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Der Export über den Seeweg ist praktisch nicht mehr möglich, beim Transport per Bahn und Lkw gibt es große Probleme. Eine weitere Folge des Kriegs in der Ukraine: Viele Saisonkräfte aus der Ukraine fallen heuer aus, was Probleme mit der Gemüseernte mit sich bringe.

Aus diesem Ausfall erkläre sich auch ein "Erwartungseffekt über die Warenterminmärkte", also diese Handelsplätze, über die Großhändler ihre Ware beziehen. "Wenn ich erwarte, dass es morgen oder in drei Monaten oder einem Jahr weniger von einer Ware geben wird und damit diese wohl teurer wird, werde ich heute bereits kaufen."

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Und auf diesen Märkten könnten Händler "über Terminkontrakte heute bereits Getreide kaufen, das erst im Sommer geerntet wird", so WIFO−Ökonom Baumgartner, und selbst das müsse nicht der heurige Sommer sein. Jedenfalls führe dieser "Erwartungseffekt" damit "schon heute zu steigenden Weltmarktpreisen". Diese wiederum ziehen über die Rohstoffmärkte Investoren an, was die Entwicklung seit Anfang 2020 beschleunigte.

Die Landwirtschaft sieht sich dadurch allerdings nicht auf der Gewinnerseite. Steigende Kosten für Energie, Treibstoffe, Dünger, Futter, Maschinen fielen "für die bäuerlichen Betriebe massiv ins Gewicht", hieß es von der Landwirtschaftskammer gegenüber ORF.at.

Die Notierungen für einige landwirtschaftliche Rohstoffe seien zwar aktuell auch gestiegen, "die letzte Ernte ist aber noch zu deutlich geringeren Preisen verkauft worden", und es sei keinesfalls gesichert, dass zum künftigen Verkaufszeitpunkt "dann nach wie vor gute Preise herrschen". Es sei "völlig unklar", ob die Betriebe ihre Kosten decken könnten "oder auf ihnen sitzen bleiben". Es brauche daher auch für die Landwirtschaft so rasch wie möglich "Rückendeckung in Form von Teuerungsentschärfungen".

Unter dem Strich sei der Höhepunkt bei der Inflation − insgesamt und bei Lebensmitteln − noch nicht erreicht, so die Einschätzung des WIFO−Ökonomen. Vor dem Ukraine−Krieg habe die Erwartung vorgeherrscht, dass das im März oder April der Fall sein würde und in der zweiten Jahreshälfte "eine merkbare Entspannung eintritt".

"Nun dürfte es wohl Mai oder Juni auf einem höheren Niveau werden und dann nur eine leichte Abschwächung eintreten", so Baumgartner. "Unter der Voraussetzung, dass russisches Öl und Gas weiter nach Europa fließen", sei eine Inflationsrate im Jahresdurchschnitt von etwa 6,0 Prozent zu erwarten.

Sollte es allerdings vonseiten der EU ein − wie es derzeit heftig debattiert wird − Erdölembargo gegen Russland geben, "wäre auch dieses Szenario überholt" und die Preise für Treibstoffe und Heizöl für die Konsumentinnen und Konsumenten "würden noch einmal deutlich steigen". Würden auch die Erdgaslieferungen in die EU gestoppt, dann würde das eine Rezession auslösen und die Preise würden noch einmal anziehen, so Baumgartner.

Die Österreichische Nationalbank (OeNB) revidierte zuletzt ihre Prognose weiter nach oben. Kommt es zu einer weiteren Verschärfung des Ukraine−Konflikts und deutlichen Gaslieferungsausfällen, könnte die Inflation empfindlich ansteigen − auf bis zu neun Prozent − und das Wirtschaftswachstum praktisch zum Erliegen kommen.

Quelle:
https://orf.at/stories/3262324/
(abgerufen am 12.05.2022)