Kaltluftströme


Kaltluftbahnen bringen kühle Luft in die sommerlich heiße Stadt. Sie sorgen im Idealfall dafür, dass man zumindest spätabends die Wohnung lüften kann und einen erholsamen Schlaf hat. Doch Bauprojekte und die Klimaerwärmung gefährden die Wirksamkeit der Kaltluftschneisen.

Im Wiener Burggarten laufen die Bewässerungsanlagen auf Hochtouren. Schattenspendende Bäume machen den Sommer erträglich, außerdem profitiert der Burggarten von der Kaltluftschneise aus dem Wienerwald, erklärt der Meteorologe Simon Tschanett von Weather Park. "Die wirkt in den ersten drei bis vier Nachtstunden im Sommer bis zum Gürtel. Danach, in den Stunden bis Sonnenaufgang, geht sie bis zum Ring."

Im Burggarten seien also früh morgens die Ausläufer der Kaltluft zu spüren, die in die Stadt hereinkommt. Simon Tschanett hat für Wien, Linz und Innsbruck (noch in Arbeit) Klimaanalysen erstellt, auf denen er die Kaltluftströme und ihre Wege in die Stadt genau vermerkt.

Für Wien ist die Analyse eine Bestandsaufnahme aus dem Jahr 2020, und er empfiehlt, alle fünf Jahre ein Update zu machen, denn die Kaltluftströme können sich verändern, etwa durch versiegelten Boden, der die kalte Luft erwärmt. Besonders gefährlich ist das an der Entstehungsquelle der Kaltluft.
"Wenn ich dort bebaue oder versiegle, dann entsteht die Kaltluft gar nicht erst, oder nicht so viel", so Tschanett. Die Folgen seien ein sehr niedriger Kaltluftvolumenstrom, ein geringes Tempo beim Wind und eine geringe Wirksamkeit für die Abkühlung der Stadt.

Gebäudekomplexe bzw. Hochhäuser quer zur Windrichtung seien oft ein großes Hindernis für den kühlen Luftstrom, meint er: "Man muss sich das so vorstellen − die Kaltluft ist nicht so stark wie Wind mit 30 bis 40 km/h, sondern sie weht mit 5 km/h schön langsam und kontinuierlich bis in die Stadt hinein."

Deshalb könnten architektonische Barrieren diesen Strom so leicht stoppen. Wichtig sei, erst nach einer genauen Analyse der Klimaströme zu bauen, so Tschannett. Wenn der Kaltstrom niedrig verläuft, kann man etwa ein Haus auf Stelzen bauen, verläuft er weiter oben, gehen sich etwa ein− oder zweistöckige Häuser gut aus.

Der Kaltstrom hat eine relative Temperatur. Steigt die allgemeine Temperatur mit der Klimaerwärmung, wird auch der Kaltstrom wärmer und weniger wirksam.

Tschanett empfiehlt, sowohl die Klimaziele im Blick zu behalten als auch in jeder Stadt eine Person als Stadtklimatologen einzusetzen, die bei Bauprojekten beraten soll. Und die Kaltluftströme gesetzlich zu verankern − als schützenswertes Gut.

Quelle:
https://science.orf.at/stories/3213933/
(abgerufen am 18.07.2022)