Dürre mit Dominoeffekt


China erleidet laut Meteorologen seit Wochen die stärkste Hitzewelle seit Beginn der Messungen vor sechs Jahrzehnten. In der "Kornkammer" Henan herrscht Dürre, von Wasserkraft abhängige Provinzen leiden unter Strommangel und verhängen Produktionsstopps − gebremst wird auch die Förderung von weltweit wichtigen Rohstoffen, die bei der Produktion von erneuerbarer Energie gefragt sind. Stattdessen wird noch mehr auf klimaschädliche Kohle zurückgegriffen.

Seit Wochen sorgen extreme Temperaturen und Trockenheit für Ausnahmezustände in mehreren chinesischen Provinzen. An einigen Orten mussten die Behörden für mehr als 25 Tage durchgehend Temperaturwarnungen herausgeben, teils wurden Werte jenseits der 40−Grad−Marke erreicht. In mehreren Regionen steht die Landwirtschaft unter großem Druck. Die Hitze soll noch mindestens eine Woche, womöglich auch zwei anhalten.

Besonders betroffen sind auch mehrere Regionen, durch die Chinas längster Fluss Jangtsekiang fließt. Eine entsprechend große Rolle spielt dort die Wasserkraft − und hier gibt es angesichts der erheblichen Trockenheit große Probleme. In der hitzegeplagten Provinz Sichuan etwa werden regulär 80 Prozent des Stroms aus Wasserkraft bezogen, zudem werden Industriegebiete an der chinesischen Ostküste beliefert − etwa Schanghai.

Doch die wochenlange Hitzeepisode trocknete zahlreiche Fluss− und Zuläufe aus, auch der Jangtsekiang selbst befindet sich laut den chinesischen Behörden auf dem tiefsten Niveau des Jahres. Im Juli sei im Einzugsgebiet des Flusses rund ein Drittel weniger Regen gefallen als in durchschnittlichen Saisonen. In den ersten beiden Augustwochen gab es sogar ein Regendefizit von 60 Prozent, so die Flusskommission.

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Gleichzeitig schnellt der Stromverbrauch in den bevölkerungsreichen Regionen wegen des erhöhten Bedarfs an Klimaanlagen und Kühlung in die Höhe. Allein in der 24−Millionen−Menschen−Metropole Schanghai meldeten chinesische Netzbetreiber gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg des Stromverbrauchs von 38 Prozent im Juli, in der ersten Augustwoche betrug der Anstieg ganze 40 Prozent.

Der Strommangel hat bereits akute Auswirkungen auf die durch Chinas Zero−Covid−Strategie stark angeschlagene chinesische Industrie − Folgen für die Weltwirtschaft werden befürchtet. In Sichuan wurde etwa bereits der Strom für Fabriken rationiert. Die Regionalregierung ordnete bereits am Sonntag an, dass Industriebetriebe in 19 von 21 Städten in Sichuan die Produktion eine Woche lang aussetzen müssen, um Strom für die Versorgung von Haushalten zu sparen. Einige Betriebe dürfen aber mit gedrosselter Leistung weitermachen.

Mehrere Unternehmen teilten mit, sie hätten die Produktion gestoppt − darunter Aluminium−, Solarpanel− und Düngemittelhersteller. Auch eine Fabrik des taiwanischen Apple−Zulieferers Foxconn stoppte die Bänder. Laut dem Wirtschaftsportal Bloomberg teilte Foxconn aber mit, die Produktion werde durch die Dürre nur bedingt beeinträchtigt. Betroffen sind auch Werke von Toyota und VW.

In Sichuan wird die Hälfte des chinesischen Lithiums abgebaut, das vor allem in Batterien für E−Autos gebraucht wird. Auch hier wird in den fünf Werktagen von Montag bis Freitag Strom eingespart − Analystin Susan Zhou von Rystad Energy sagte der Nachrichtenagentur AFP, Schätzungen zufolge werde die Produktion deshalb um 1.200 Tonnen geringer ausfallen.

Zudem kommen rund 15 Prozent der chinesischen Förderung von Polysilizium aus Sichuan. Der Rohstoff spielt eine zentrale Rolle bei der Produktion von Photovoltaikanlagen. Hier herrscht angesichts eines durch den Ukraine−Krieg befeuerten Booms nicht nur in China, sondern auch international bereits jetzt schon hoher Bedarf − auch hier erwarten Analysten von Morgan Stanley negative Auswirkungen auf den Markt.

Großflächige Probleme mit der Energieversorgung werden allerdings nicht erwartet. Fachleute verweisen laut Bloomberg darauf, dass die meisten Provinzen für die Stromerzeugung ohnehin auf Kohle angewiesen sind und hier bereits vor dem Sommer auf Anweisungen der Regierung hin im großen Stil aufgestockt wurde.

Trotzdem bestehe angesichts der Dürre "hoher Druck auf die Kohlevorräte", so ein zuständiger Beamter von Chinas Staatlicher Kommission für Entwicklung und Reform. In der ersten Augusthälfte seien täglich durchschnittlich 8,16 Millionen Tonnen Kohle verbrannt worden − das seien 15 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Insgesamt sei Chinas Kohleförderung um elf Prozent gewachsen.

Der verstärkte Einsatz von Kohle bedeutet schlechte Nachrichten für das Klima. China ist der mit Abstand weltgrößte Verbraucher von Kohle, und seit einem kurzzeitigen Rückgang zwischen 2013 und 2016 steigt der Verbrauch wieder steil an − aktuell ist er so hoch wie nie zuvor. Gemäß Chinas 14. Fünfjahresplan soll der Konsum von Kohle auch erst ab 2026 zurückgeschraubt werden.

Dabei warnen laut der staatlichen Zeitung "Global Times" auch chinesische Fachleute, dass Phänomene wie die aktuelle Hitzewelle Auswirkungen der Klimakrise sind. Chen Lijuan von Chinas Nationalem Klimazentrum sagte etwa, dass lang anhaltende Hitzewellen vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung zur "neuen Normalität" würden. "Die hohen Temperaturen beginnen früh, hören spät auf und dauern lange. Das wird in Zukunft immer deutlicher werden."

Quelle:
https://orf.at/stories/3281135/
(abgerufen am 16.08.2022)