Schwieriger Sommer


Frankreich, die Schweiz und Norditalien erleben erneut einen extrem trockenen Winter. Schon jetzt herrscht Wasserknappheit, und Erinnerungen an das letzte Jahr werden wach. Damals verursachten nach einem trockenem Winter Dürre und Hitze im Sommer große Probleme in Landwirtschaft und Energiewirtschaft. Ausläufer der großen Trockenheit reichen aktuell auch bis in den Westen Österreichs.

Derzeit macht der mehr als 2.000 Meter hohe Simplonpass in der Schweiz eher den Eindruck, als wäre Herbst. Bis weit hinauf dominieren braune, ausgetrocknete Wiesen, selbst auf der Passhöhe liegen nur 24 Zentimeter Schnee. Das ist die geringste Schneehöhe Mitte Februar seit Beginn der Messungen im Jahr 1955, wie die Daten des Schweizer Instituts für Schnee− und Lawinenforschung (SLF) zeigen.

Auf den meisten Bergen der Schweiz liegen derzeit nur 30 bis 60 Prozent der üblichen Schneehöhe. Im Gletscherskigebiet von Saas Fee, einem der höchstgelegenen der Alpen, liegt das Schneedefizit bei drei bis vier Metern, berichtete das Internetportal Wetteronline. Bis auf den Gipfel des 4.027 Meter hohen Allalinhorn ist auf dem Gletscher teilweise blankes Eis zu sehen.

Seit vielen Wochen erleben die Schweiz, Frankreich und Norditalien fast durchgehend das gleiche eintönige Wetter. Stabile Hochdruckgebiete sorgen für Sonnenschein und blauen Himmel, Regen− und Schneefronten werden immer wieder abgeblockt oder geben nicht viel her. Den ganzen Winter schon sind die Niederschlagsmengen in diesen Ländern stark unterdurchschnittlich.

Überdurchschnittlich sind hingegen die Temperaturen. In Turin, der Hauptstadt der italienischen Region Piemont, haben sich die Werte diese Woche um 15 Grad eingependelt. Anfang Februar gab es mit Föhn sogar 22 Grad. Das Piemont zählt zu den von der Dürre besonders betroffenen Regionen. Seit Ende Dezember hat es in manchen Orten, so auch in Turin keine zehn Liter pro Quadratmeter geregnet, nur ein Bruchteil der klimatologisch durchschnittlichen Menge.

Schwieriger Sommer 01

Eine grundlegende Änderung der Wetterlage ist so schnell nicht in Sicht. Laut Monatsvorhersage des Europäischen Wettermodells ECMWF könnte das hochdruckdominierte Wetter mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen bis Mitte März anhalten. Mit jedem sonnigen und milden Tag trocknen die Böden weiter aus, vergrößert sich die Trockenheit. Auch die Waldbrandgefahr steigt bereits.

Die Dürre ist jetzt in einigen Regionen bereits problematisch, erste Gemeinden im Piemont haben Verordnungen erlassen, um den Wasserverbrauch einzuschränken. Ähnlich ist die Lage im südfranzösischen Departement Bouches−du−Rhone, hier gilt in manchen Gebieten Dürrealarm. Der Präfekt sprach von einer "Ausnahmesituation im Winter". Und die Cote d´Azur könnte nicht erst wie letztes Jahr im Sommer, sondern schon im März von Wasserrationierung betroffen sein. Die Situation sei hier dramatischer als letztes Jahr, so die Behörden.

Erinnerungen an das letzte Jahr werden wach. Die Dürre hat schon 2022 begonnen, nach einem schneearmen Winter, der sich jetzt gerade wiederholt. Die Bilder von halb ausgetrockneten Flussbetten wie etwa der Loire und des Po im letzten Sommer sind vielen noch im Gedächtnis.

In Frankreich mussten 2022 im Sommer einige Atomkraftwerke ihre Leistung drosseln, denn das für die Kühlung benötigte Flusswasser reichte nicht aus, die Pegelstände waren zu niedrig und das Flusswasser durch schier endlose Hitzewellen schon zu warm.

In Frankreich, der Schweiz und Italien war 2022 das wärmste Jahr der Geschichte. Die Wasserstände vieler Flüsse und Seen haben sich seit dem Sommer nie richtig erholt.

Die Regenarmut führt dazu, dass der Fluss Var in Nizza schon jetzt im Februar fast ausgetrocknet ist. Der Pegel des größten Sees Italiens, des Gardasees, ist über den Winter kaum gestiegen, der Wasserstand liegt derzeit nur 13 Zentimeter über dem Tiefststand für Mitte Februar seit dem Jahr 1930. Damit der Wasserstand nicht weiter sinkt, wurde von den Behörden beschlossen, den Abfluss am Staudamms Salionze sul Mincio zu verringern.

Diese Maßnahme wird sich auf den Fluss Po auswirken. Der längste Fluss Italiens führt derzeit nicht einmal halb so viel Wasser wie normal zu dieser Jahreszeit. Am Pegel in der Stadt Piacenza (Emilia−Romagna) wurde am Mittwoch mit einem Durchfluss von 269 Kubikmeter pro Sekunde ein neuer historischer Tiefstand für Februar gemessen, und angesichts weiter ausbleibender Niederschläge wird der Po in den kommenden Tagen weiter sinken.

Der italienische Landwirtschaftsverband Coldiretti warnt schon vor der Trockenheit, die den Anbau von Nahrungsmitteln in der Po−Ebene gefährde. Die Zeitung "Il Giorno" denkt auch schon an die nächsten Monate, denn die Po−Ebene riskiere, ähnlich wie letztes Jahr einen "Wasserkrieg" zwischen Trinkwasser, Landwirtschaft, Schutz des natürlichen Lebensraums und Tourismus zu erleben. Nur ergiebiger Regen kann helfen.

Der wenige Schnee in den Bergen ist auch heuer ein schlechtes Vorzeichen für den Frühling und Sommer, die Schneeschmelze in den Alpen wird aller Voraussicht nach geringer ausfallen als normal und dann auch die großen Flüsse mit weniger Wasser versorgen − mit Folgen auch auf die Stromproduktion durch Wasserkraft.

Dürrephasen im Alpenraum, die durch Schneeschmelzdefizite ausgelöst werden, haben zugenommen, so eine aktuelle Studie. Wenn es so weitergeht mit der Schneelage in diesem Winter, könnte Trockenheit auch diesen Sommer ein Problem werden, warnte Studienautorin Manuela Brunner, Klimaforscherin am SLF: "Das Schneedefizit von heute ist die Trockenheit im nächsten Sommer."

Den Gletschern in den Alpen droht ohne ergiebige Schneefälle im Frühjahr wie schon letztes Jahr eine dramatische Schmelze im Sommer, ein regelrechter Aderlass, so die Glaziologen. Ausläufer dieser großen Trockenheit in der Schweiz und Norditalien sind auch in Westösterreich zu spüren.

Schwieriger Sommer 02

In Vorarlberg, Tirol und in Teilen Salzburgs hat es im Winter bisher viel weniger geschneit und geregnet als normal, in Kufstein z. B. nur etwa halb so viel wie im langjährigen Durchschnitt. In Reutte und Landeck zählen Jänner und Februar bisher zu den trockensten seit Messbeginn.

Quelle:
https://orf.at/stories/3305295/
(abgerufen am 16.02.2023)