Beispiellose Abwanderung


Durch die Pandemie und verschärfte US−Sanktionen schrumpft die kubanische Wirtschaft immer weiter. Der Inselstaat erlebt die größte Migration seit der Machtübernahme durch Fidel Castro. Ein Ende der Fluchtbewegung scheint nicht in Sicht. Auch für die USA bleibt die beispiellose Abwanderungsbewegung nicht ohne Folgen.

Kuba kämpfte zwar schon vor der CoV−Krise mit seiner eigenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lage und strukurellen Problemen. Doch die Pandemie und der derzeitige weltweite Wirtschaftsabschwung sowie das verschärfte US−Embargo haben den freien Fall des Inselstaates noch beschleunigt.

Dem Staat fehlen zunehmend die finanziellen Mittel, um etwa Waren und Lebensmittel zu importieren. Die Bevölkerung muss unter anderem mit Stromausfällen, Lebensmittelknappheit, mageren Gehältern, Medikamentenmangel und einer sich verschlechternden Gesundheitsversorgung kämpfen.

2021 gingen wegen der fatalen wirtschaftlichen Lage und der Einschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie Zehntausende Kubanerinnen und Kubaner auf die Straße, die Regierung reagierte mit hartem Durchgreifen. Immer mehr, vor allem mittellose, Menschen versuchen daher, Kuba zu verlassen − oft mit Behelfsbooten. Nach Angaben der US−Küstenwache sind seit 2020 mindestens 100 Menschen auf dem Meer ums Leben gekommen.

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Selbst für ein Land, das für Massenflucht bekannt ist, ist die derzeitige Welle bemerkenswert. Laut der US−Zoll− und Grenzschutzbehörde (CBP) waren es im Oktober 2019 noch knapp 2.000 Personen, die aus Kuba in die USA migriert sind. Im vergangenen Jahr lag diese Zahl bei knapp 30.000. Rund zwei Prozent der gesamten Bevölkerung Kubas sind von Oktober 2021 bis September 2022 in die USA abgewandert, das sind mehr als vier Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter. Bis Jahresende ist die Zahl der Migranten weiter gestiegen.

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Damit steht der Inselstaat auch vor einem demografischen Problem. 2021 schrumpfte die Bevölkerung das fünfte Jahr in Folge. Die Geburtenrate geht kontinuierlich zurück, das Land altert. Rund ein Fünftel der Kubanerinnen und Kubaner sind über 60 Jahre alt. Bis 2030 soll der Anteil nach offiziellen Prognosen, die allerdings die jüngste Abwanderungswelle noch nicht berücksichtigen, auf fast ein Drittel ansteigen.

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Es sei der größte quantitative und qualitative "Brain−Drain", den das Land seit der Revolution erlebt habe, sagte Katrin Hansing, Anthropologin an der City University in New York gegenüber der "New York Times" ("NYT"). Die Abwanderung vieler jüngerer Kubaner im arbeitsfähigen Alter verheiße eine düstere demografische Zukunft für ein Land, in dem die durchschnittliche Lebenserwartung mit 78 Jahren höher ist als im Rest der Region. Die Regierung kann die mageren Pensionen, auf die die ältere Bevölkerung des Landes angewiesen ist, schon jetzt kaum noch bezahlen.

Neben Mexiko zählt Kuba zu den wichtigsten Herkunftsländern von Migranten und damit zu einem der Hauptverursacher des Migrantenandrangs an der amerikanisch−mexikanischen Grenze. Für US−Präsident Joe Biden stellt die Situation eine politische Belastung dar. Viele Experten seien der Meinung, dass die US−Politik gegenüber der Insel zu der Migrationskrise beitrage, die die Regierung jetzt zu bekämpfen versuche, schreibt die "NYT".

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Während die kubanische Regierung im langjährigen US−Embargo den Hauptgrund für die Misere des Landes sieht, sehen die USA die kubanische Regierung in der Pflicht, für ihre Bürgerinnen und Bürger ausreichend zu sorgen. Noch unter Präsident Donald Trump verschärfte die US−Regierung die Sanktionen gegenüber Kuba wieder und schränkte etwa Bargeldzahlungen der Kubaner an ihre Familien in den Vereinigten Staaten stark ein. Die Biden−Administration hob einige der Sanktionen nach und nach auf.

Nun wurden heuer zum ersten Mal seit 2017 die konsularischen Dienste der USA in Havanna und die Bearbeitung von Einwanderungsvisa wieder aufgenommen. Die USA haben angekündigt, dass jeden Monat 30.000 Migranten aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela legal ins Land kommen dürfen.

Im Gegenzug sollen monatlich 30.000 illegal eingereiste Personen aus diesen Ländern nach Mexiko abgeschoben werden. Gleichzeitig hätten Einwanderungsrichter einen Rückstand von rund 1,7 Millionen Fällen, so US−Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas zu Beginn des Jahres.

Quelle:
https://orf.at/stories/3297373/
(abgerufen am 19.02.2023)