Starke Wirkung


Menschen, die in den 20 größten Flüchtlingslagern weltweit leben, sind extremen Wetterbedingungen besonders stark ausgesetzt, wie eine neue Studie zeigt. Auch im Vergleich zu den nationalen Durchschnittswerten der Aufnahmeländer gibt es an den Standorten der Siedlungen besonders hohe Temperaturen, geringe Niederschläge und andernorts extreme Regenfälle.

Die meisten der 20 größten Flüchtlingslager, nämlich 16, befinden sich in Afrika, drei in Asien und eines im Nahen Osten. Die Siedlungen befinden sich häufig in isolierten und abgelegenen Gebieten, die durch schlechte Bodenqualität und "raue klimatische Bedingungen" gekennzeichnet sind, so das Forschungsteam um Sonja Fransen von der Universität Maastricht.

Für die Studie, die nun im Fachjournal "PNAS" veröffentlicht wurde, untersuchte das Forschungsteam Klima− und Wetterdaten aus den Jahren 1980 bis 2020. Die statistische Analyse ergab, dass die meisten Menschen, die vor Kriegen und bewaffneten Konflikten, Hungersnöten, politischer Verfolgung und Umweltkatastrophen geflüchtet sind, in Gebieten angesiedelt werden, die im Vergleich zu den nationalen Durchschnittswerten der Aufnahmeländer überdurchschnittlich hohe Temperatur− und Niederschlagsextreme aufweisen.

Die Forscherinnen und Forscher unterscheiden in der Untersuchung zwischen langsam und plötzlich eintretenden Auswirkungen der Erderwärmung. Die meisten Flüchtlingslager sind laut der Studie relativ stark von langsam eintretenden Klimaereignissen betroffen: Von geringen Niederschlagsmengen etwa, wie die Siedlungen in Äthiopien, Ruanda, Kenia und Uganda; und von hohen Temperaturen, wie die Siedlungen in Kenia, Äthiopien, Ruanda, dem Sudan und Uganda. Von niedrigen Temperaturen hingegen sind zwei Siedlungen in Pakistan und das Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien betroffen.

Starke Wirkung 01

Für schnell eintretende Wetterextreme, wie Hitzewellen, Kältewellen und extreme Niederschläge, ergab die Analyse im Vergleich mit den nationalen Trends weniger eindeutige Ergebnisse. Für das Flüchtlingslager Cox´s Bazar in Bangladesch zeigten die Daten aber eine relativ hohe Gefährdung durch extreme Regenfälle. Auch die durchschnittliche Niederschlagsmenge pro Monat sei hier höher als im gesamten Land.

Die Autorinnen und Autoren erinnern daran, dass im ersten Halbjahr 2021 sechs Flüchtlinge in Cox´s Bazar bei Fluten ums Leben gekommen sind und im selben Jahr das Flüchtlingslager Alganaa im Südsudan durch Überschwemmungen zerstört und 35.000 Menschen vertrieben wurden. Und in Zaatari verschlimmerten in den vergangenen Wintern Stürme mit ungewöhnlich niedrigen Temperaturen, sintflutartigen Regenfällen, starkem Schneefall und heftigen Winden die ohnehin prekären Lebensbedingungen der dort untergebrachten syrischen Flüchtlinge.

Die Analyse der 20 größten Flüchtlingslager weltweit zeige, dass viele Siedlungen an suboptimalen Standorten liegen, insbesondere in Bezug auf Temperatur und Niederschlag, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Dass Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten mussten, extremen Wetterbedingungen ausgesetzt sind, gefährde ihr Wohlbefinden und verstärke ihre Ausgrenzung noch weiter.

Unter anderem verringere die Belastung durch Wetterextreme die Möglichkeiten, nachhaltige Lebensgrundlagen zu schaffen. In Cox´s Bazar in Bangladesch beeinträchtige etwa die Gefährdung durch Starkregen die Bewohnbarkeit der Siedlungen und verhindere landwirtschaftliche Programme zum Selbsterhalt. Die Autorinnen und Autoren sehen in den Studienergebnissen eine Aufforderung zu einem politischen Zugang, der die Inklusion von Flüchtlingen in der Aufnahmegesellschaft anstrebt und Maßnahmen zur Anpassung an die Klimaerwärmung berücksichtigt.

Quelle:
https://science.orf.at/stories/3219638/
(abgerufen am 09.06.2023)