Neue Höchstwerte


Schon in den vergangenen Wochen sind in den Ozeanen und an Land teils neue Temperaturhöchstwerte gemessen worden. Das nun einsetzende Wetterphänomen "El Nino" dürfte die mit der Klimakrise voranschreitende Erwärmung zusätzlich verstärken. Die Mischung wird nach Ansicht von Fachleuten für weitere Temperaturrekorde sorgen.

Im April und Mai verzeichneten Forscherinnen und Forscher jeweils neue Höchstwerte der Oberflächentemperaturen in den Ozeanen. Was die Lufttemperatur betrifft, war der Mai laut dem Erdbeobachtungsprogramm Copernicus weltweit der zweitwärmste, der jemals gemessen wurde.

Während die Temperaturen in Europa dem Durchschnitt entsprachen, war es in Teilen von Kanada, Afrika und Südostasien den Angaben zufolge wärmer als üblich. Kühler als im bisherigen Schnitt war es unter anderem in Australien, hieß es.

Die Entwicklung setzt sich fort: "Die Welt hat gerade ihren wärmsten frühen Juni erlebt", teilte Copernicus am Donnerstag mit. Die Aussage bezieht sich auf das globale Mittel bei den Lufttemperaturen. Bei der Klimakonferenz in Paris im Jahr 2015 hatten sich die teilnehmenden Staaten darauf geeinigt, Anstrengungen unternehmen zu wollen, um die globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

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Angesichts des beginnenden "El Nino" könnten das 1,5−Grad−Ziel Copernicus zufolge in den kommenden zwölf Monaten überschritten werden. Laut der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) besteht zudem eine 98−prozentige Wahrscheinlichkeit, dass zumindest eines der nächsten fünf Jahre das wärmste jemals gemessene sein wird. Nach Einschätzung der US−Ozeanografie− und Wetterbehörde (NOAA) dürfte 2023 unter die zehn, vielleicht sogar die fünf wärmsten Jahre seit Aufzeichnungsstart kommen.

Die Überwachung des Klimas sei wichtiger als je zuvor, um herauszufinden, wie oft und wie lange die weltweiten Temperaturen die 1,5−Grad−Marke überschreiten, sagte Copernicus−Vizedirektorin Samantha Burgess. "Jeder noch so winzige Teil eines Grads ist wichtig beim Verhindern von noch schlimmeren Auswirkungen der Klimakrise."

Für Schlagzeilen sorgten zuletzt die Temperaturen in den Ozeanen. "Was momentan passiert, ist wirklich außergewöhnlich", sagte Michael Mayer vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien gegenüber ORF.at. Die globalen Ozeantemperaturen hätten bereits im April Rekorde aufgestellt, "und das noch bevor ´El Nino´ wirklich begonnen hat", so Mayer.

Das Wetterphänomen "El Nino" tritt alle zwei bis sieben Jahre auf und kann die globalen Temperaturen zusätzlich erhöhen. Gekennzeichnet ist es durch eine Erwärmung des Oberflächenwassers im tropischen Pazifik. Seinen Höhepunkt erreicht es gegen Jahresende, daher auch der Name "El Nino" (Christkind), der auf peruanische Fischer zurückgeht.

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"Normalerweise ist es so, dass ´El Nino´ seinen Höhepunkt erst gegen Ende eines Kalenderjahres erreicht", sagte Mayer. In dieser Zeit sind die Oberflächentemperaturen am höchsten. Der Pazifik gibt dann besonders viele Wärme an die Atmosphäre ab, die sich weltweit verteilt und durch Telekonnektion − darunter fällt unter anderem die weitreichende Veränderung der tropischen Winde und der Bewölkung − die anderen Ozeane erwärmt. Beobachten lassen sich diese Fernwirkungen laut Mayer normalerweise erst zum Höhepunkt des Wetterphänomens und nach seinem Abklingen − "und nicht schon ein halbes Jahr vorher".

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Der meist neun bis 15 Monate anhaltende "El Nino" führt häufig zu starker Trockenheit in Australien, Indonesien und Teilen Südasiens, während er in einigen Regionen Afrikas und Südamerikas, im Süden der USA und in Zentralasien für stärkere Niederschläge sorgt. "El Nino" war zuletzt in den Jahren 2018 und 2019 aufgetreten.

Die derzeit hohen Temperaturen in den Ozeanen dürften laut Mayer einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren geschuldet sein. So zeige sich ein "langfristiger Erwärmungstrend", so Mayer: "Den sehen wir im ozeanischen Wärmegehalt, aber auch an den Oberflächentemperaturen."

Hinzu komme die "natürliche Variabilität". Klassische Beispiele im Pazifik wären "El Nino" und sein Gegenstück "La Nina". Zwar gebe es auch in Zeiten der Klimaerwärmung relativ gesehen wärmere und kältere Jahre. "Diese kommen dadurch zustande, dass es natürliche Schwankungen gibt, die regional, aber auch sehr großskalig wie eben ´El Nino´ sein können", sagte Mayer.

Allerdings: "Was wir momentan sehen, ist schon wirklich außergewöhnlich", so Mayer. "El Nino" stehe noch am Anfang, der definitionsgemäße Temperaturschwellwert sei erst knapp überschritten. Mit dem beginnenden "El Nino" bewege man sich relativ gesehen in eine wärmere Phase, die durch die langfristige Klimaerwärmung bereits auf hohem Niveau starte.

Die Folgen für die Ozeane sind gravierend. Bei höheren Temperaturen kommt es zum häufigeren Auftreten von "marinen Hitzewellen" ("marine heatwaves"). Dabei erwärmt sich das Meerwasser deutlich über die Normalwerte, wodurch es zu Phänomenen wie der Korallenbleiche und dem Absterben von Seegraswiesen kommt. Korallen bedecken zwar nur 0,2 Prozent der weltweiten Meeresgründe. Dennoch beherbergen sie mindestens ein Viertel der marinen Pflanzen− und Tierarten.

Quelle:
https://orf.at/stories/3319988/
(abgerufen am 16.06.2023)